Gesamtheit und Teilbarkeit von IT- Leistungen
In dem Beruf des Fachanwalts für IT- Recht gehört die Frage der Beurteilung zur Teilbarkeit von Leistungen zum wöchentlichen Standard. Immer wieder sind Fallgestaltungen zu beurteilen, in denen viele Teile der versprochenen Leistung funktionieren und manche Teil-Leistungen aber zu Problemen führen. Beispiele sind: „ 98% der versprochenen Funktionen sind einwandfrei realisiert, bei 2% besteht Streit und der Kunde möchte die Software nicht abnehmen“; „Die Software funktioniert einwandfrei, aber die Datenmigration -der alte Haken- hat nur zu 90% funktioniert“; „die Software unseres Hauses funktioniert, wir mussten Module von Subunternehmern einbinden, die leider nicht gut funktionieren.“
In all diesen Fällen geht es Nach der Terminologie der Juristen um die Teilbarkeit von Leistungen. Im § 323 Absatz 5 BGB steht
„Hat der Schuldner eine Teilleistung bewirkt, so kann der Gläubiger vom ganzen Vertrag nur zurücktreten, wenn er an der Teilleistung kein Interesse hat. Hat der Schuldner die Leistung nicht vertragsgemäß bewirkt, so kann der Gläubiger vom Vertrag nicht zurücktreten, wenn die Pflichtverletzung unerheblich ist“.
Wie geht man mit dieser Regelung um? Was ist „unerheblich“ und wann kann der Kunde wegen des Mangels eines Teils einer Leistung von dem gesamten Vertrag zurücktreten?
Teilbarkeit der Leistung
Im ersten Schritt geht es darum, die Teilbarkeit der Leistungen zu untersuchen. Dabei sind rechtliche und technische Aspekte zu unterscheiden.
Technische Teilbarkeit:
Ob die Leistung teilbar ist, ist zunächst nach technischen Parametern zu beurteilen. Von der technischen Unteilbarkeit ist praktisch immer bei der vertikalen Betrachtung von Projekten auszugehen. Sofern Werkvertragsrecht vereinbart ist, geht es für den Kunden darum, dass am Ende des Vertrags eine Software entwickelt wurde, die den vertraglichen Vereinbarungen entspricht. Deshalb ist es egal, ob die Ziele eines bestimmten Milestones erreicht wurden oder nicht. Der Kunde kann mit einer Software, die nicht fertiggestellt ist, nichts erreichen.
Anders sieht es aus, wenn die Software verschiedene Module enthält, die unterschiedliche Funktionen ausführen. Bei dieser horizontalen Betrachtung kommt es darauf an, ob die Leistung eines Moduls zum Beispiel durch ein anderes Modul, das auch auf den Markt erhältlich ist, substituiert werden kann. Das juristische Schlagwort besagt, „es käme darauf an“, ob die Leistungen miteinander stehen und fallen würden. -Sofern ein Haus mit mehreren Stockwerken gebaut wird und die Stockwerke nur durch einen Anbieter erstellt werden könnten, handelt es sich um eine technisch einheitliche Leistung. Sofern mehrere Häuser gebaut werden, die zwar mit Schnittstellen miteinander verbunden sind, aber für sich genommen unabhängig funktionsfähig sind, handelt es sich um technisch teilbare Leistungen. Sie bemerken aber sicher, dass es sich hier um Bewertungsfragen handelt.
Der BGH hat in uralten Entscheidungen aus den 90er Jahren entschieden, dass zum Beispiel die Belieferung mit Hard- und Software teilbare Leistungen beinhaltet. Der Kunde könnte sich dann, wenn zwar die Software funktioniert, die Hardware aber Mängel aufweise, gleichwertige Hardware auch von anderen Anbietern auf dem Markt besorgen. Auf das Interesse des Kunden, sämtliche Leistungen nur aus einer Hand zu beziehen, käme es dabei nicht an.
In der heutigen Zeit kann man sich zum Beispiel überlegen, ob der Betrieb einer Anwendung in einem Rechenzentrum eine teilbare Leistung ist, wenn die Anwendung zwar funktioniert, aber das Rechenzentrum durch einen anderen Anbieter substituiert werden kann.
Rechtliche Teilbarkeit
Eine solche rechtliche Teilbarkeit wird eigentlich nur dann diskutierbar sein, wenn zum Beispiel ein Nutzungsrecht nur im Ganzen und nicht in Teilen übertragen werden kann. Mir fallen aber offen gestanden keine Anwendungsfälle ein.
Einheitlichkeit des Vertrages
Grundsätzlich gehen Juristen davon aus, dass Verträge die gemeinschaftlich abgeschlossen werden, auch immer eine Vermutung dafür begründen, dass das rechtliche Schicksal des einen Vertrags auch das identische Schicksal des anderen Vertrags begründet. Juristen sagen, dass es darauf ankäme, ob die Parteien eine Vereinbarung geschlossen hätten, dass beide Verträge nur miteinander stehen und fallen können.
Maßgeblich ist der Wille zur Einheit, nicht die wirtschaftliche Verknüpfung.
Rechtliche Gestaltung
Die rechtliche Gestaltung ist einfach: Wie immer hat man den Weg, explizit zu vereinbaren, dass und welche Leistungen miteinander eine rechtliche Einheit bilden sollen / können. Sofern man keine explizite Vereinbarung über die Teilbarkeit trifft, muss man mit den Unsicherheiten leben, die sich aus der Interpretation der Verträge oder Vertragsteile ergeben. Das Prinzip der leisen Sohlen funktioniert hier nur bedingt.
Beispiele: Beliebt ist die Teilung in den Vertrieb von Lizenzen auf der einen und die Erbringung von Arbeitsleistungen auf der anderen Seite. Ein Unternehmen verkauft Software und erbringt Arbeitsleistungen zur Anpassung und Inbetriebnahme derselben Software.
Sofern man (wie das viele US Unternehmen machen wollen) der Ansicht ist, dass die Erbringung von Arbeitsleistungen und deren mangelhafte Erbringung nicht dazu führen darf, dass der Verkauf einer Software rechtlich unabhängig von der Qualität der Arbeitsleistungen sein soll, muss man das explizit in den Vertrag schreiben: Selbst dann, wenn die Anpassung der Software scheitert, musst Du den Preis für die Software bezahlen. Vielleicht besteht die wesentliche Aufgabe darin, Kunden zu finden, die solche Verträge vereinbaren wollen.
Gleiches Thema für die Cloud: Wenn man auf der Basis des Werkvertragsrechts eine Anpassung einer Websoftware vereinbart, wird der Mietvertrag nicht unabhängig von dem Ausgang der Anpassung durchgeführt werden können.
Sofern man will, dass beide Teile unabhängig voneinander sind, wird man die Anpassungsleistungen dem Dienstvertragsrecht unterstellen müssen: Dann muss der Kunde mehr Geld bezahlen, bis der Prozess der Anpassung zu seiner Zufriedenheit führt. Nur muss man das ausdrücklich sagen.
Sofern man will, dass die Erfolge der Migration von Daten in eine neue Anwendung unabhängig von der Abnahme der Software insgesamt sind, muss das bereits bei der Vertragsgestaltung berücksichtigt werden. Sonst streitet man sich darüber, ob die erfolgte Datenmigration für das Gesamtprojekt so wichtig ist, dass mit ihr „das Projekt steht und fällt“.