Das OLG Frankfurt hat mit Urteil vom 11.11.2021 entschieden, dass ein Bio-Bauer und ein Online-Shop auch dann in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis stehen können, wenn sie unterschiedliche Vertriebswege bedienen.
Sachverhalt
Der Bio-Landwirt verkauft Getreide aus eigenem Anbau. Zudem bietet er auch Müslis aus eigenem Getreide und zugekauften Zutaten an. Diese Produkte können über eine Webseite bestellt und nach Absprache auf dem Hof abgeholt werden. Ein Hofladen hat der Bio-Bauer nicht.
Die Antragsgegnerin bietet in ihrem Online-Shop Müsliemischungen an, die der Kunde selbst zusammenstellen kann.
Der Bio-Bauer hat die Antragsgegnerin abgemahnt, weil sie gegen Informationspflichten verstoßen haben soll. [Anm. Die Abmahnung erfolgte noch vor der UWG-Novelle, die die Abmahntätigkeiten von Wettbewerbern erheblich erschwert hat]. Konkret ging es bei der Abmahnung um die nicht klar erkennbare Nennung des Grundpreises je Mengeneinheit und gleichzeitig des Gesamtpreises in gut lesbarer Form. Außerdem wurde die nicht vorhandene Widerrufserklärung, die nicht vorhandene Angabe des Liefertermins und der nicht leicht zugängliche Link zur OS Plattform und weiteres abgemahnt.
Die Antragsgegnerin wehrte sich gegen die Forderung und war der Auffassung, der Bio-Bauer dürfe die Antragsgegnerin nicht abmahnen, da kein Wettbewerbsverhältnis bestehe.
Entscheidung des OLG Frankfurt
Die Sache ging bis zum OLG Frankfurt, welches ein konkretes Wettbewerbsverhältnis angenommen hat. Begründet hat das OLG Frankfurt seine Entscheidung wie folgt:
Grundsätzliches zum konkreten Wettbewerbsverhältnis:
Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis ist gegeben, wenn beide Parteien gleichartige Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzusetzen versuchen mit der Folge, dass das konkret beanstandete Wettbewerbsverhalten des einen Wettbewerbers den anderen beeinträchtigen, das heißt im Absatz behindern oder stören kann (BGH GRUR 2014, 573Rn 15 – Werbung für Fremdprodukte). An das Bestehen eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses sind im Interesse eines wirksamen wettbewerbsrechtlichen Individualschutzes keine hohen Anforderungen zu stellen. Es reicht aus, dass sich der Verletzer durch seine Verletzungshandlung im konkreten Fall in irgendeiner Weise in Wettbewerb zu dem Betroffenen stellt (BGH GRUR 2015, 1129Rn 19 – Hotelbewertungsportal). Auch Unternehmen, die auf unterschiedlichen Wirtschaftsstufen agieren, können in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis stehen, wenn sie sich im Ergebnis an den gleichen Abnehmerkreis wenden (OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 6.4.2017 – 6 U 36/16, Rn 18, juris m.w.N.).
Konkret auf diesen Fall bezogen:
Die Parteien bieten beide Müslimischungen und Zutaten dafür (Körner und Kerne) an. Es liegen also austauschbare Produkte vor. Entgegen der Ansicht des Landgerichts richten sich die Produkte auch an denselben Kundenkreis, nämlich an Endverbraucher. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Antragsteller zum Teil auf einer vorgelagerten Wirtschaftsstufe, nämlich als Lieferant von Hofläden tätig ist. Es kommt auch nicht darauf an, dass der Antragsteller nur Großmengen ab 5 kg abgibt. Schließlich ist auch nicht maßgeblich, dass die Parteien völlig unterschiedliche Vertriebswege bedienen (Online-Versand bzw. E-Mail-Bestellung und Abholung am Hof). Die wettbewerbsrechtliche Anspruchsberechtigung hängt nicht vom Umfang und Zuschnitt der unternehmerischen Tätigkeit des Mitbewerbers ab. Auf die am 1.12.2021 in Kraft tretende Neufassung des § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG, die einen Vertrieb der maßgeblichen Waren in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich voraussetzt, kommt es im Streitfall nicht an.
Zu Unrecht meint das Landgericht auch, die Parteien seien nicht auf demselben räumlichen Markt tätig. Insoweit genügt eine Überschneidung der Märkte. Die Antragsgegnerin bietet ihre Leistungen bundesweit im Online-Handel an, mithin auch in Stadt1, wo der Antragsteller seinen Hof betreibt.
Fazit:
Wir sind keine Freunde von Massenabmahnungen. Dennoch kommt es bei uns auch in und wieder vor, dass wir einen Wettbewerber auf sein rechtswidriges Verhalten aufmerkam machen müssen, weil er damit die Reputation oder das Geschäft unserer Mandanten schädigt. Gerade dann wird gerne mal das Wettbewerbsverhältnis in Frage gestellt. Das hilft in den allermeisten Fällen jedoch nicht weiter. Denn die Hürden zur Annahme eines Wettbewerbsverhältnisses sind sehr niedrig und in den allermeisten Fällen ist ein Widerstand, der sich nur auf das Wettbewerbsverhältnis bezieht, erfolglos.
Wenn Sie Fragen haben, kommen Sie gerne auf uns zu.