Das neue Recht für Digitale Produkte, Teil 4 Der Lieferantenregress

Teil 4 Regress in der Lieferkette

Die neuen Rückgriffsansprüche in der Lieferkette vom Hersteller/Importeur bis hin zum Verbraucher nach § 327u BGB sorgen für Probleme. Diese Ansprüche gelten ja nicht mehr nur im Kaufrecht (wie wir das vom alten § 478 BGB kannten, sondern für alle Digitalen Produkte und Dienste, also auch für diejenigen Leistungen, die man gemeinhin als SaaS oder Providerleistungen kennzeichnet.

Zum einen ist ganz klar, dass dasjenige Unternehmen, das Verträge mit dem jeweiligen Verbraucher abschließt, ein mangelfreies Produkt/mangelfreien Dienst bereitstellen muss und für die Dauer des Bereitstellungszeitraums dafür sorgen muss, dass Produkt/Dienst auch funktionsfähig bleiben. Was das im Einzelnen bedeutet, habe ich im Teil 2 beschrieben.

Sofern die Mängel darauf zurückzuführen sind, dass Produkt/Dienst vom Vorlieferanten mangelhaft geliefert wurden, kann der Vertragspartner des Verbrauchers Regress in Form von Aufwendungsersatz verlangen, § 327u Abs.1 BGB.

Das Problem besteht nun darin, dass dieser Anspruch sich gegen buchstäblich jedes Unternehmen in der Lieferantenkette richtet, § 327u Abs.6 BGB. Die Vorschrift ist missglückt. Egal, ob der Lieferant / Provider erkennen konnte, ob ein anderes ihm nachgeordnetes Unternehmen die Produkte einem Verbraucher zur Verfügung stellt oder nicht, nach dem Wortlaut ist jedes (!) Unternehmen der Kette in der Haftung.

Die Leistungsverpflichtung besteht in der Bereitstellung der Leistung gemäß den Regularien des Verbraucherrechts und der Bereitstellung der erforderlichen Aktualisierungen. Nicht zu vergessen, dass keine Funktionen entfallen dürfen.

Die Ansprüche verjähren innerhalb von 6 Monaten. Wichtig ist die Beweislastumkehr: Der Verbraucher bzw. das nachfolgende Unternehmen in der Lieferkette muss nachweisen, dass der Mangel durch das Unternehmen selbst verursacht ist, wenn die Systemumgebung bzw. das Produkt gegen die Zustimmung des Herstellers / Vorlieferanten geändert wurde, § 327k Abs.1 und 2 BGB. Das bringt für Onprem Produkte vermutlich etliches an Erleichterungen, bei Leistungen innerhalb der Cloud wird es hier zu keinen Erleichterungen kommen.

Nach § 327u Abs.4 BGB kann von den Vorschriften des Unternehmensregresses nicht abgewichen werden. Es besteht nach Satz 2 ein Verbot der Umgehung dieser Vorschrift, die ihre Grenzen dort hat, wo das deutsche Recht nicht gilt oder dort, wo es wirksam abbedungen (also vereinbart werden kann, dass es nicht gilt). Das bedeutet: Wenn ein Unternehmen wie ADOBE, SAGE, Microsoft etc. Leistungen und Produkte auf der Basis von Verträgen nach Maßgabe des irischen Rechts mit dem deutschen Importeur abschließt, haftet dieses Unternehmen den nach ihm folgenden Unternehmen nach der Maßgabe des zwingenden deutschen Rechts. Aufgrund der weitreichenden und dann auch wirksamen Haftungsfreistellungen der AGB der großen Hersteller wird diese Haftung aber nicht an den ausländischen Vertragspartner weitergereicht werden können, sondern das deutsche Unternehmen bleibt auf der Haftung sitzen. Das ist vom deutschen Gesetzgeber vollkommen unbedacht und man wird abwarten müssen, wie sich die Dinge hier entwickeln. Angesichts der Klarheit des § 327u Abs.4 BGB werden die Gerichte keine Spielräume haben, um Ungerechtigkeiten zu vermeiden. Aber ob der Rest der Welt tatsächlich am deutschen Wesen genesen wird, mag bezweifelt werden.

 

 

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