IT- Recht: Darf Microsoft die Nutzung von Microsoft on premises -Software auf Azure und „non listed provider“ beschränken?

Kurz zu meinem Wording: Hosted Cloud nenne ich den Betrieb von gekaufter Software in einem Rechenzentrum. Die Software wird im Rechenzentrum betrieben, die berechtigten User „nutzen“ die Software, in dem sie über Datennetze (meist das Internet) auf die Software zugreifen.

Microsoft schreibt in seinen Lizenzbestimmungen, dass Software die von Microsoft ab dem 1.1.2019 (neue Softwareverträge, Upgrades) hergestellt und ausgeliefert wurde, grundsätzlich nur noch bei bestimmten Rechenzentrumsbetreibern installiert und betrieben werden darf (authorized outsourcers) und nur noch gegen ein zusätzliches Lizenzentgelt bei anderen Rechenzentren betrieben werden dürfen. Der Weg ist klar bestimmt: Hosted Cloud von Microsoft- Produkten soll auf Azure- Diensten erfolgen. Für den Betrieb auf anderen Systemen soll der Kunde mehr Geld bezahlen oder am besten darauf verzichten. Software aus dem Microsoft Universum soll nur im Microsoft Universum verwendet werden dürfen.

Die Fragestellung ist also klar. Darf Microsoft die Installation und den Zugriff auf die on prem -Software von dem Erwerb zusätzlicher Lizenzen abhängig machen oder generell ausschließen. Auch die Antwort ist klar, wobei sich die Experten über die Begründung streiten: Nein. Ich möchte aber gleich vorwegstellen, dass ich nicht daran glaube, dass Microsoft sich von seinem Weg ohne Einschreiten von Kartellbehörden abbringen lassen wird. Weder werden die Händler, noch werden die Kunden Gerichtsverfahren gegen Microsoft anstrengen. Mein Verhalten fußt auf den Erfahrungen, die ich mit Kunden und Händlern zu dem Thema Nachlizenzierung und Audit gemacht habe. Selbst wenn der Anwalt davon überzeugt ist, dass die Softwarehersteller etwas Falsches tun, sind die Kunden eher bereit, Kosten in einer gewissen Höhe zu akzeptieren, als eine Kündigung des Softwarepflegevertrags (und damit das Ausbleiben nicht benötigter Releases) zu riskieren, und als vor den Gerichten um ihr Recht zu streiten. Es fehlt zum einen an verfügbaren Alternativen, die man anstelle der gekauften Microsoft Software einsetzen könnte und zum anderen sind ja nicht nur die Kosten eines Rechtsstreits, sondern auch die Kosten der Neubeschaffung anderer Softwaresysteme zu beachten. Soweit Microsoft den preislichen Bogen nicht überspannt und die Kartellbehörden dem Tun von Microsoft nicht Einhalt gebieten, wird sich in der Praxis, meines Erachtens nach, nichts ändern.

Rechtlich betrachtet gibt es zwei Möglichkeiten, zu behaupten, dass die entsprechenden Lizenzbestimmungen von Microsoft gegen das Recht verstoßen und damit unwirksam sind.

 

  1. Verbotsmöglichkeit aus dem Urheberrecht und dem deutschen AGB- Recht.

Das deutsche AGB- Recht sagt in dem § 307 II BGB, dass der Verwender einer AGB den Vertragspartner durch die AGB nicht ungemessen benachteiligen darf. AGB sind die Standardregelungen, die wir alle „als Kleingedrucktes“ kennen und die nach der Bestimmung des Gesetzes Vertragsbestimmungen sind, die nicht mit dem Vertragspartner im Einzelfall ausverhandelt werden, vom Inhalt des Gesetzes abweichen und die für eine Vielzahl von Verträgen ausformuliert wurden. Die Lizenzbestimmungen von Microsoft sind danach AGB. Aber es ist ganz die Frage, ob durch die Lizenzbestimmungen von Microsoft eine unangemessene Benachteiligung erfolgt.

1.) Wie muss Software in der Cloud lizensiert werden?

Ich muss vorneweg sagen, dass ich dogmatisch einen anderen Weg gehe, als viele meiner Kollegen. Das Urheberrecht normiert nach dem Gesetz zugunsten der Rechtsinhaber ein quasi Monopol, in dem es Verbietungsrechte konstituiert, die im Bereich der Nutzungsrechte nur mit der Zustimmung des Rechteinhabers entfallen. So darf man Kopien einer Software nur mit der Zustimmung des Rechteinhabers anfertigen (§69c Nr.1 UrhG). Diese Handlung ist aber erforderlich, weil Software irgendwo installiert und in den Arbeitsspeicher geladen werden muss, sonst kann sie nicht funktionieren. Also brauche ich von Microsoft das Recht der Vervielfältigung und das habe ich für die Serversoftware ja auch im Rahmen des Kaufvertrags oder Softwarepflegevertrags bekommen. Für die Vervielfältigung ist völlig unerheblich, ob sie auf dem eigenen Rechner oder in einem Rechenzentrum auf fremden Rechnern stattfindet. Soweit bin ich mit meinen Kollegen eins.

Der Unterschied im Cloud- Hosting besteht aber nun darin, dass die Software über Datennetze abgerufen wird. Es muss ein remote access auf die Serversoftware erfolgen. Die Frage ist, ob für diesen remote Access eine eigenständige Zustimmung der Microsoft erforderlich ist (§69c Nr.4 UrhG) oder ist eine solche Nutzungshandlung, solange sie zu dem „Kernbereich der bestimmungsgemäßen Nutzung“ nach § 69d UrhG gehört, eine, für die man keine eigenständige Lizenz braucht. Ich halte die letzte Ansicht für falsch. Sie speist sich aus einer Analogie einer Entscheidung „Internetvideorecorder“ des BGH vom 22.4.2009 (CR 2009, 598). Darin ging es um einen Sachverhalt, in dem private Nutzer Kopien von Filmen im Internet für sich anfertigen und abrufen konnten. Der BGH schrieb, eine Veröffentlichung liege nicht vor, wenn jemand eine Kopie für sich im Internet anfertige und sie dann abrufe. Das passt für den Bereich der privaten Nutzung sicher, es handelt sich um einen Cloudspeicher und kein Mensch wird davon sprechen, dass Inhalte, die in der Cloud gespeichert werden, „öffentlich“ sind, weil Sie über das Internet abrufbar sind.  Die §§ 69c Nr.1 bis Nr.4 UrhG kommen aus einer anderen Zeit. Software wurde nicht per Cloud genutzt. Die Vorstellung war, dass eine Software über das Internet „Mitgliedern der Öffentlichkeit“ vorgestellt würde. Mitglieder der Öffentlichkeit sind nach gängigen Beschreibung aber Menschen, die nicht eng privat miteinander verbunden sind. Sie kennen das vielleicht noch aus dem Zusammenhang mit der Frage, ob eine Veröffentlichung einer Privatkopie eben dann nicht vorliegt, wenn die Kopie nur im engen Verwandten und Bekanntenkreis umhergereicht wird. Dieser Begriff der Öffentlichkeit ist aber bei der „Berechtigten Usern“ nicht zu halten. Die Menschen, die nach dem Willen der Geschäftsführung miteinander in einem Unternehmen arbeiten sind in den seltensten Fällen alle miteinander verwandt oder verschwägert. Den Begriff der Öffentlichkeit mit dem berechtigten User gleichzusetzen, im Hinblick auf eine Entscheidung, in der ersichtlich um eine private Nutzung von Werken ging, halte ich für falsch. Wo bitte steht im Gesetz geschrieben, dass der berechtigte User nicht Mitglied der Öffentlichkeit ist? Wie geht man dann mit dem Thema der Konzernlizenzen um, wenn es im Belieben des Konzerns steht, wie viele Berechtigte User es gibt. Der EUGH und der BGH ringen seit Jahrzehnten um den Inhalt des Begriffs der Öffentlichkeit, um die Frage der sachgerechten Vergütung für eine Werknutzung bestimmen zu können. Der BGH hat in einer jüngeren Entscheidung (9.9.2021, Deutsche Digitale Bibliothek II GRUR 21,1511) erneut erkannt [Rn.32], dass der Begriff der Öffentlichkeit nur bei einer unbestimmten Anzahl von Adressaten und recht vielen Personen erfüllt ist. Also braucht man dann eine Lizenz, wenn nur 5 Personen die Software über das Internet verwenden aber keine, wenn mehr als 5000 gleichzeitigen Zugriff haben? Besser und zwangloser ist doch die Annahme, dass die Öffentlichkeit im § 69c Nr.4 UrhG mit den berechtigten Usern gleichzusetzen ist. Dann vermeidet man Inkonsistenzen mit der Auslegung des Begriffs der Öffentlichkeit.

Also muss man für die Nutzung einer Software immer die Zustimmung für die Vervielfältigung und die Nutzung der Software über das Internet haben, §§ 69c Nr.1 und Nr.4 UrhG, wenn die Software kommerziell genutzt wird.

2.) Die Lehre geht einen anderen Weg. Sie verneint das Erfordernis der Lizenzierung nach § 69c Nr.4 UrhG, wenn nur berechtigte User die Software benutzen. Sie sagt, dass es aus finanziellen Erwägungen egal sein müsse, ob der berechtigte Erwerber der Software diese in einem Rechenzentrum verwende oder auf eigenen Rechnern und dass also der Abruf der Software über die Cloud mit zur bestimmungsgemäßen Nutzung gehöre. Ich stimme dem Argument der finanziell ausreichenden Vergütung ausdrücklich zu. Es macht für den Hersteller der Software keinen Unterschied, ob die Software in einem Rechenzentrum oder bei ihm verwendet wird. Die Cloud ist für Menschen wie mich deshalb vorteilhaft, weil die Kosten für den Betrieb und die Pflege sinken und ich mich nicht um technische Probleme aus Inkompatibilitäten etc. kümmern muss. Aber das soll nicht der Vorteil des Herstellers sein. Mein Weg führt bei einer nicht ausdrücklich eingeräumten Lizenz über den § 31 V UrhG.

3.) Weshalb die Praxis von Microsoft aber auch vor Deutschen Gerichten unter Zugrundelegung des Urheberrechts scheitern dürfte, liegt an der Entscheidungspraxis des BGH, der immer und immer wieder betont, dass das Urhebergesetz kein Vehikel zur Durchsetzung vertrieblicher Wünsche sei. In der OEM- Entscheidung des BGH vom 08.08.2000 hat Microsoft schon einmal eine Schlappe erlitten, als man versuchte, den Weiterverkauf von Software, die vorinstalliert auf PCs ausgeliefert wurde, mit dem Hinweis auf lizenzrechtliche Bestimmungen zu verbieten. Sofern Microsoft den Erwerb einer Lizenz nicht erforderlich macht, wenn diese in den Rechenzentren der kleinen „non listed provider“ installiert wird, ist klar, welche Ziele Microsoft verfolgt.

  1. Verbotsmöglichkeiten nach dem Kartellrecht.

Hier braucht man nicht lange zu argumentieren: Die Praxis von Microsoft verstößt gegen das Kartellrecht. Es handelt sich um den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung nach den Art. 102 AEUV, § 19 GWB. Das Ausnutzen von urheberrechtlichen Ansprüchen allein begründet in sich keinen Missbrauchstatbestand. Microsoft darf Lizenzen auch weiterhin gegen Geld im Markt vertreiben. Der EuGH hat in einer „Microsoft“- Entscheidung aus dem Jahr 2007 dargelegt, dass Anzeichen für das Bestehen eines Behinderungswettbewerbs bestehen, wenn ein Anbieter, mit dem Microsoft bereits in einem benachbarten Markt in Wettbewerb steht (Hier Leistungen eines Rechenzentrums) behindert und damit die technische Entwicklung eingeschränkt wird. Microsoft für den Bereich der Software eine Marktbeherrschung von mehr als 40% zu unterstellen (das ist das Erfordernis aus dem § 18 Abs.4 GWB) ist sicher nicht verkehrt. Die Kommission hat für bestimmte Produkte wie Office einen Anteil von mehr als 90% angenommen. Falls die Kartellbehörden (endlich) tätig werden, könnte man Hoffnung haben.

 

 

 

 

 

 

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