Werkverträge
Gewährleistungsrecht
Mangel
Grundsätzlich lösen Abweichungen von der vereinbarten- oder vertraglich vorausgesetzten Beschaffenheit Gewährleistungsrechte aus. Nach § 633 Abs. 2 gilt, daß bei Fehlen einer Vereinbarung über die vertragliche Beschaffenheit auch zu Differenzen zu dem mit dem Vertrag verfolgten Zweck (bzw. zur gewöhnlichen Verwendung) oder zum Entstehen von Sachmängeln führen kann. Die vierte Gruppe stellen die Fälle dar, in denen willentlich kein Pflichtenheft erstellt wird. Verzichtet der Auftraggeber auf die Erstellung eines Pflichtenheftes, schuldet der Auftragnehmer die Erstellung oder Bearbeitung der Software dem Stand der Technik entsprechend unter Einhaltung eines mittleren Ausführungstatbestandes.
1.) Gewährleistungsrechte
Der Kunde und nicht der Auftragnehmer hat die Wahl zwischen folgenden Gewährleistungsrechten:
a.) Nacherfüllung
aa.) Grundsatz: Der Kunde kann die Beseitigung des Mangels durch Nacherfüllung verlangen (§§ 634 Abs. 2 Nr.1, 635 BGB). Dabei hat der Auftragnehmer die Wahl, ob er die Nacherfüllung durch Neulieferung oder durch Behebung der Mängel in der alten Variante vornimmt. Praktische Bedeutung hat diese Unterscheidung zum Kaufrecht aber kaum. Der Unternehmer kann die Nacherfüllung verweigern, wenn sie für ihn mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden ist (§ 635 Abs.3 BGB).
bb.) Workarounds per AGB. Die Möglichkeit von Nacherfüllung in Form von Workarounds kann nicht per AGB eingeräumt werden.
cc.) Selbstbeseitigungsrecht: Das Selbstbeseitigungsrechts des Auftraggebers mit gleichzeitiger Anspruch auf Kostenvorschuss und Kostenerstattung besteht dann, wenn der Unternehmer mit der Nacherfüllung in Verzug ist und eine Nachfristsetzung keinen Erfolg hatte.
dd.) Entbehrlich: Wie bereits an anderer Stelle ausführlich dargelegt, ist die Setzung einer Nachfrist entbehrlich, wenn der Auftragnehmer die Mängelbeseitigung ernsthaft und endgültig verweigert hat.
Ganz häufig kommt es aber in der Praxis vor, dass der Auftraggeber verzweifelt versucht, doch noch an dem Projekt festzuhalten und der Vertrag so stillschweigend fortgesetzt wird. In diesem Fall sind alle Fristsetzungen Makulatur.
b.) Rücktritt oder Minderung
Der Auftraggeber kann die Vergütung mindern oder vom Vertrag zurücktreten, wenn er dem Unternehmer zur Beseitigung des Mangels erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt hat. § 281 Abs. 1 BGB besagt, dass eine Fristsetzung entbehrlich ist, wenn die Beseitigung des Mangels nicht mehr möglich ist, von dem Auftragnehmer verweigert wird oder die sofortige Geltendmachung des Herstellungsanspruches durch den Auftraggeber gerechtfertigt ist. In der Praxis aber tut man gut daran, mit festen Fristen zu arbeiten. Bei nur unerheblicher Minderung der Tauglichkeit der Software zur Erfüllung des Vertragszwecks hat der Kunde keinen Anspruch auf Erklärung des Rücktritts (§ 323 Abs.5 S.2).
2.) Verzahnung mit den Mitwirkungspflicht / Beistellungspflichten des Auftraggebers
Der Anspruch auf vertragsgemäße Erstellung des Werkes hängt davon ab, dass der Kunde die ihm obliegenden Mitwirkungspflichten rechtzeitig erfüllt. Erfüllt der Kunde die ihm obliegenden Mitwirkungspflicht nicht rechtzeitig, gerät er in Annahmeverzug und kann die Leistung nicht verlangen. Der Auftragnehmer kann sich hier nur nach den Vorschriften der §§ 642,643 und 645 wehren. Da kein Softwareprojekt ohne Mitwirkung des Kunden gelingen kann, ist es wichtig, dass die dem Kunden obliegenden Mitwirkungspflichten nicht nur als pure Obliegenheiten qualifiziert werden, was nach dem Gesetz regelmäßig der Fall ist. Die Verletzung von Obliegenheiten im Gegensatz zur Verletzung von Pflichten bedeutet, dass der Kunde eben nur den Anspruch auf Erfüllung verliert, der Auftragnehmer aber keine weiteren Ansprüche seinerseits geltend machen kann. Das halte ich für verkehrt, weil dem Auftragnehmer während der Zeitspanne, in der der Kunde nicht mitwirkt, Kosten entstehen. Mithin muss im Vertrag dargelegt werden, dass die dem Kunden obliegenden Mitwirkungspflichten Hauptleistungspflichten sind. Anwälte auf der Seite des Auftraggebers haben naturgegeben mit dieser Formulierung Schwierigkeiten. Ich mache es so, dass ich die Mitwirkungspflichten des Kunden zur Planung im Lastenheft formuliere und die sich zur Realisierung der Software ergebenden Mitwirkungspflichten des Kunden im Pflichtenheft. An anderer Stelle formuliere ich, dass die sich aus dem Lastenheft bzw. Pflichtenheft ergebenden Pflichten der Parteien Hauptleistungspflichten sind. Das ist auch sinnvoll, weil ein Übervorteilen der einen oder anderen Partei in Verträgen niemals sinnvoll ist.
3.) Verzahnung mit Vertragsstrafen
Auch gegen Vertragsstrafen ist eigentlich so gesehen nichts einzuwenden, wenn die beiden – und eben nicht nur dem Auftragnehmer – auferlegten Vertragspflichten Hauptleistungspflichten sind und diese so konkret formuliert wurden, dass jede Seite genau sehen kann, was wer mit welchen Mitteln zu welchem Zeitpunkt zu bewirken hat.