Gerade erst hatte der BGH in mehreren Entscheidungen die Voraussetzungen für ein zulässiges Keyword-Advertising festgezurrt: Solange die fremde Marke nicht im Text der Anzeige selbst auftauchte und diese Anzeige deutlich abgesetzt von den sonstigen Suchbegriffen als „Anzeige“ erschien, war gegen die Nutzung nichts zu machen. Nun vollzieht das OLG Hamburg offenbar eine Kehrtwende zugunsten der Markeninhaber (OLG Hamburg, Urteil vom 22.01.2015 – 5 U 271/11).
Darum geht’s beim Keyword-Advertising: Ein Unternehmen bucht bei Google eine Anzeige. Diese wird mit bestimmten Suchbegriffen verknüpft. Damit zahlreiche Nutzer die Anzeige zu sehen bekommen, werden dafür gern auch Marken bekannter Wettbewerber eingesetzt. Im Hamburger Fall verwendete so eine Online-Partnerbörse die Marke des Wettbewerbers PARSHIP. Im Einklang mit der BGH-Rechtsprechung erschienen die Anzeigen des Wettbewerbers am rechten Rand der Suchergebnisseite und waren auch deutlich als „Anzeige“ gekennzeichnet.
Eigentlich also kein Problem, legte man die bisherige Linie des BGH zugrunde. Das allerdings tat das OLG Hamburg nicht, sondern berief sich für seine abweichende Begründung auf ein Urteil des EuGH. Dieser hatte schon 2010 einmal geurteilt, dass das Keyword-Advertising mit fremden Marken nur dann zulässig sei, wenn der Wettbewerber unmissverständlich erkennen lasse, dass er nicht identisch mit dem Markeninhaber sei. Vage Hinweise, die einen Durchschnittsverbraucher unter Umständen darüber im Zweifel lassen könnten, reichten nicht aus.
Weil die zugrundeliegenden Regelungen des Markenrechts auf eine EU-Richtlinie zurückgehen, habe der EuGH insoweit die Letztentscheidungskompetenz. Auf die anderslautende Rechtsprechung des BGH komme es daher überhaupt nicht an.
Mit dieser selbstbewussten Haltung kam das OLG Hamburg dann zu dem Schluss, dass ein Keyword-Advertising mit fremden Marken nur dann zulässig sein könne, wenn in der Anzeige eine deutliche Abgrenzung des Werbenden von dem Markeninhaber erfolge. Demnach müsste sich der Wettbewerber also aktiv von der Markeninhaberschaft distanzieren. Angesichts des knappen Umfangs der Anzeigen wäre damit konsequenterweise dem Keyword-Advertising jede Legitimation entzogen.
Offenkundig trauen die Hamburger Richter den Verbrauchern an dieser Stelle weit weniger zu als der BGH. Ob das den Realitäten entspricht und tatsächlich eine erhebliche Zahl von Internetnutzern den Charakter der Google-Anzeigen nicht verstanden hat, darf bezweifelt werden. Allerdings kommt das OLG Hamburg mit dieser Auslegung dem generellen Verbraucher-Begriff der Rechtsprechung wieder erheblich näher. Denn mit seinen anderslautenden Entscheidungen hatte sich der I. Zivilsenat des BGH argumentativ recht weit entfernt von den üblichen Grundsätzen der Verbraucher-Rechtsprechung, nach der von einem Durchschnittsverbraucher wenig bis nichts an Verständnis allgemeiner Lebenssachverhalte zu erwarten sei.
Es darf mit Spannung erwartet werden, ob das Hamburger Urteil Schule macht und in die Diskussion über das Keyword-Advertsing nun wieder Bewegung kommt. Markeninhaber haben mit Hamburg jedenfalls einen Gerichtsstand erhalten, an dem sie das unliebsame Keyword-Advertising wirkungsvoll ausbremsen können.
Zu der einschlägigen Rechtsprechung des BGH vgl. unsere Blogs unter http://anwaltskanzlei-online.local/2014/03/10/markenrecht-keyword-advertising-der-bgh-setzt-nun-doch-grenzen/, http://anwaltskanzlei-online.local/2013/06/14/markenrecht-keyword-advertising-bleibt-zulaessig/ – und http://anwaltskanzlei-online.local/2013/10/27/markenrecht-bgh-staerkt-das-keyword-advertising-erneut/.