Teil I. AGB
Vorformulierungen müssen für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert sein. Einfach sind die Fälle zu beantworten, in denen Allgemeine Geschäftsbedingungen von vornherein mit dem Willen vorformuliert wurden, mehr als einmal im geschäftlichen Verkehr verwendet zu werden. Bei solchen Vertragsbedingungen handelt e sich ohne Zweifel um Allgemeine Geschäftsbedingungen.
Als normaler Mensch – und ausdrücklich nicht als Jurist – würde man der Ansicht zuneigen, dass dann wenn Vertragsbedingungen wirklich nur für einen Fall formuliert werden, es sich dann nicht um Allgemeine Geschäftsbedingungen handeln kann. Die Rechtsprechung des BGH hat wie bereits mehrfach dargelegt, manchmal wenig mit dem normalen Menschenverstand zu tun.
Auch Vertragsbedingungen, die ein Unternehmer nur einmal verwendet, können vom BGH als Allgemeine Geschäftsbedingungen qualifiziert werden. Das liegt daran, dass der BGH immer in der Sorge ist, dass der Vertragspartner durch eine Umgehung der Regelungen, die für die Allgemeinen Geschäftsbedingungen gelten, benachteiligt werden könnte. Also spricht der BGH, dass auch in den Fällen, in denen eine Regelung nur einmal verwendet wird, man nachweisen muss, dass diese Regelung keine AGB ist.
Diesen Nachweis erbringt man dadurch, dass man den Verhandlungsprozess, der mit dem Kunden durchgeführt wird, protokolliert. Denn vertragliche Regelungen, die mit dem Kunden ausverhandelt wurden, sind selbst nach der Rechtsprechung des BGH keine Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Es kommt also weniger darauf an, ob eine Regelung nur einmal im geschäftlichen Verkehr verwendet wurde als darauf, dass der Prozess des „Ausverhandelns“ protokolliert wird.
II. Anforderungen an das „Ausverhandeln“
Noch einmal in Kurzform: Bestimmte Dinge kann man vertraglich nicht in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, sondern nur in Individualvereinbarungen regeln. Das liegt daran, dass insbesondere die Rechtsprechung des BGH darauf gerichtet ist, den Vertragspartner unabhängig von seiner Marktmacht zu schützen. Individualvereinbarungen sind rechtliche Bestimmungen, die mit dem jeweiligen Vertragspartner für den Einzelfall ausverhandelt wurden.
1.) Nach der Rechtsprechung des BGH [20.03.2014 – VII. ZR 248/13] muss der Verwender der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (also derjenige, der die Vertragsbedingungen vorlegt) den gesetzesfremden Kerninhalt ernsthaft zur Disposition stellen, den Vertragspartner Gestaltungsfreiheit und die reale Möglichkeit zur inhaltlichen Beeinflussung einräumen, d.h. ihm die Möglichkeit geben, sowohl die Formulierung, als auch den Inhalt der Regelung anders zu gestalten, als dies von dem Verwender gewünscht ist.
Ein Beispiel: Sie möchten die Haftung für fahrlässig verursachte Schadensersatzansprüche auf einen bestimmten Wert begrenzen. Im Markt sieht man viele dieser Regelungen, in denen die Haftung der Höhe nach auf den jeweiligen Auftragswert oder auf eine bestimmte Summe beschränkt wird. Im Beispiel möchte ich einfach regeln, dass die Haftung auf den Wert von zum Beispiel 100.000,00 € beschränkt wird.
Nach der Rechtsprechung des BGH reicht es also nicht aus, dass Sie zum ersten Mal in Ihrem beruflichen Dasein die Haftung auf 100.000,00 € beschränken. Sie müssen
– ihrem Verhandlungspartner erklären, dass die Haftung, anders als nach dem Gesetz vorgesehen, beschränken möchten, d.h. nicht in Höhe des Risikos haften möchten, dass zum Zeitpunkt der Eingehung des Vertrags ersichtlich und typischerweise mit der Durchführung des Vertrags verbunden ist.
– anzeigen, dass Ihr Verhandlungspartner frei darin ist, mit Ihnen über den Inhalt der Formulierung und den Inhalt der Regelung selbst zu verhandeln.
– protokollieren, dass der Verhandlungspartner faktisch eine Verhandlung macht, die er auch dazu hätte nutzen können, eine andere, als die von ihm gewünschte Regelung zu vereinbaren.
Es genügt nicht, dass beide Parteien vorformulierte Bedingungen gemeinsam gelesen und akzeptiert haben. Auch dann nicht, wenn Rechtsanwälte auf beiden Seiten eingeschaltet sind. Sie müssen nachweisen, dass Sie bereit sind, vorformulierte Vertragsbedingungen auf Wunsche des Kunden abzuändern. Es reicht also nicht, dass sich beide Seiten darüber einig sind, dass eine bestimmte Regelung gelten soll. Es gibt eine Entscheidung aus dem Jahr 2012, in der der BGH es nicht hat ausreichen lassen, dass zwei Anwälte lange Zeit über den Inhalt einer Regelung verhandelt haben, weil sich aus dem Verhandlungsprozess eben nicht ergebe, dass die eine Seite bereit gewesen sei, die Wünsche der anderen Seite auch mit in den Verhandlungsprozess mit aufzunehmen und eine andere, als die ursprünglich gewollte Regelung zu vereinbaren [BGH VII. ZR 222/12]. Diese Entscheidung betraf einen Vertrag, in dem zwei Unternehmen unter Einbeziehung der Anwälte verhandelt haben. Und obwohl das so war, kam der BGH wieder zu dem Ergebnis, es läge keine Individualvereinbarung, sondern nur eine Allgemeine Geschäftsbedingung vor.
Ich habe schon an anderer Stelle dargelegt, dass ich diese Entscheidung des BGH für völlig verkehrt halte. Aber man hat sich daran zu halten. Mithin nützt es eben nichts, dass man mit der Gegenseite einfach nur verhandelt. Im Falle von Interessenskollision muss man darlegen, dass man an bestimmten Stellen auch nachzugeben bereit war. Der BGH betont aber, dass nicht notwendig an derjenigen Stelle nachgegeben werden muss, über die jeweils verhandelt wird. Auch an anderen Stellen kann nachgegeben werden.
2.) Und das ist der Einstieg für unser Beispiel. Sie müssen dem Kunden zunächst klarmachen, dass Sie einen Vertrag eingehen wollen, in dem die Haftung auf eine bestimmte Summe begrenzt ist. Diese Summe richtet sich zum Beispiel nach dem bestehenden Sicherheitsbedenken, Datensicherung, Qualitätssicherungsmaßnahmen, nach der Frage, wie hoch eigentlich ein Schaden im Einzelfall sein kann, danach wie gut Ihre Versicherung bestimmte Schadensfälle bezahlt, etc. Diese Erörterung haben Sie mit dem Kunden auf jeden Fall vorzunehmen, ohne dass Sie mit dem Kunden eine bestimmte Regelung bereits besprechen. Es ist entscheidend, dass die Höhe Ihres Honorars immer die Rückzugsmöglichkeit lässt, die gesetzliche Regelung zur Anwendung zu bringen und die Frage der Haftung über die eigene Versicherung zu regeln. Wenn ich die Haftung mit dem Kunden nicht auf eine bestimmte Summe regeln kann, muss ich dafür sorgen, dass die Haftung faktisch auf eine andere Art und Weise begrenzt wird. Das kann durch faktische Maßnahmen, wie Datensicherungen oder Qualitätssicherungsmaßnahmen geschehen. Das muss sich aber dann im Preis niederschlagen. Letztlich können Sie also immer mit dem Kunden darüber sprechen, wie das Verhältnis der Haftung im Verhältnis zu anderen Maßnahmen der Haftungsbegrenzung auszugestalten ist. Und unter Berücksichtigung dieses Ergebnisses müssen Sie dann selbst entscheiden, ob Sie mit dem im Verhandlungsprozess erreichbaren Resultat zufrieden sind oder ob dieser Kunde für Sie und Ihr Unternehmen ein zu großes Risiko begründet.
Die Rechtsprechung des BGH bedeutet im Ergebnis, dass Sie im Falle des Falles nachweisen müssen, den Vertrag auch ohne die gewünschte Regelung abzuschließen. Das ist wirtschaftlich unsinnig, entspricht aber eben der Rechtsprechung des BGH. Und ich brauche an dieser Stelle auch nicht zu sagen, dass man manchmal im geschäftlichen Verkehr „hart am Wind segeln muss“, sich also überlegen muss, ob man ein bestimmtes Risiko auch dann eingeht, wenn man weiß, wie die Rechtsprechung des BGH ist.
3.) Lösungsansatz: Die Verwendereigenschaft
Die Literatur ist von der Rechtsprechung des BGH natürlich genauso begeistert, wie Sie oder ich. Der Lösungsansatz der Literatur lautet, bei der Verwendereigenschaft einzusetzen. Man darf dem Kunden eben keine vorformulierten Vertragsbedingungen entgegenhalten, sondern hat ihm vor vornherein klar zu signalisieren, dass man offen in einen Verhandlungsprozess hineingeht. Das bedeutet, dass bestimmte Regelungen in den Vertrag festgelegt steht dürfen. Sie können gern mündlich ein bestimmtes Konzept verfolgen, aber der Vertragsentwurf, den Sie haben, darf an bestimmten Stellen keine vorformulierten Regelungen enthalten. Richtigerweise wird man sagen müssen, dass im Verbraucherverkehr solche Verhaltensmaßregeln nicht praktikabel sind. Aber wenigstens für den Unternehmensverkehr scheinen sie mir angemessen zu sein.
Ganz wichtig: Gehen Sie niemals in Vertragsverhandlungen mit dem Kunden mit vorgefertigten Regelungen und Obergrenzen, sondern nur mit einem weißen Blatt Papier. Protokollieren Sie den Inhalt der Gespräche, sodass ein Außenstehender Ihre Bereitschaft zum Nachgeben auch wirklich erkennen kann. Sie tragen für das Bestehen des Ausverhandelns die Beweislast.