Datenschutzrecht: Videoüberwachung in Bürogebäuden

Unter welchen Voraussetzungen dürfen Eingangsbereiche oder Treppenaufgänge von öffentlich zugänglichen Bürogebäuden mit Videokameras ausgestattet werden? Diese Frage hatte das OVG Lüneburg zu entscheiden und räumte den Hauseigentümern einen recht breiten Spielraum bei der Nutzung von Überwachungstechnik ein (OVG Lüneburg, Urteil vom 29.09.2014 – 11 LC 114/13).

Darum ging’s: Der Vermieter eines Bürokomplexes, in dem unter anderem Rechtsanwalts- und Steuerberatungsbüros Räume nutzten, installierte in den Eingangsbereichen sowie in den Treppenaufgängen des Gebäudes eine Reihe von Videokameras. Dies geschah, nachdem es in dem Gebäude zu Diebstählen aus den Büroräumlichkeiten (u.a. von Laptops) gekommen war. Außerdem waren an der Außenwand des Gebäudes immer wieder Graffiti angesprüht worden. Die Bilder der Kameras wurden im sog. Black-box-Verfahren auf einem Server für die Dauer von zehn Tagen gespeichert und sollten lediglich im Bedarfsfalle (also bei erneuten Diebstählen oder Vandalismus) eingesehen werden.

Der Landesbeauftragte für den Datenschutz in Niedersachsen hielt diese Videoüberwachung für unzulässig und verfügte die Abschaltung und Deinstallation der Kameras. Weder sei die Vermieterin des Gebäudes überhaupt hierzu berechtigt noch lägen die Voraussetzungen für eine zulässige Videoüberwachung des öffentlichen Raums generell vor.

Hiergegen wandte sich die Vermieterin und erhielt nun auch in zweiter Instanz Recht. Das OVG Lüneburg erkannte, dass die Videoüberwachung durch die Vermieterin des Gebäudekomplexes nach § 6b BDSG zulässig sei.

Die Vorschrift erlaubt unter bestimmten formellen und materiellen Voraussetzungen die Videoüberwachung im öffentlichen Raum auch durch Private. In formeller Hinsicht ist zum Beispiel zu beachten, dass die Überwachung nicht verdeckt erfolgen darf – was hier nicht streitig war –, sondern für jeden Besucher des Gebäudes kenntlich zu machen ist.

Materiell ist die Überwachung zulässig zum einen zur Wahrnehmung des Hausrechts sowie zum anderen zur Ausübung sonstiger berechtigter Interessen, wenn sie zu diesen Zwecken erforderlich ist und keine überwiegenden schutzwürdigen Interessen der Betroffenen entgegenstehen. Das OVG Lüneburg sah hier beide Voraussetzungen als gegeben an.

Das Gericht widersprach der Auffassung des Datenschutzbeauftragten, dass es sich bei dem Bürogebäude nicht um einen öffentlich zugänglichen Raum handele. Die Eingangsbereiche und Treppenhäuser seien für den Publikumsverkehr einer Vielzahl von Mietern geöffnet. Dies sei zumindest während der Bürozeiten am Tage der Fall. Aber auch außerhalb dieser Zeiten sei anzunehmen, dass durch Besprechungen in den Abendstunden oder am Wochenende der öffentliche Charakter der Räume erhalten bleibe. Die Überwachung betreffe auch lediglich solche Bereiche.

Auch trat das Gericht der Auffassung entgegen, die Vermieterin sei grundsätzlich zur Videoüberwachung nicht berechtigt. Denn das Hausrecht komme sowohl der Vermieterin als auch den Mietparteien selbst zu. Beide seien berechtigt, selbst darüber zu entscheiden, wer das Gebäude betreten dürfe oder wer des Gebäudes zu verweisen sei. Für die Vermieterin ergebe sich das einerseits aus dem Interesse, ihr Eigentum zu schützen, andererseits aus dem Interesse, ihre Mieter vor Schäden zu bewahren. Aufgrund der Diebstähle bestehe auch ein weiteres berechtigtes Interesse der Vermieterin an der Videoüberwachung. Denn es seien dadurch konkrete Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass es in dem Gebäude auch in Zukunft zu (versuchten) Eigentumsdelikten komme. Keinen Grund für die Videoüberwachung sah das Gericht indes in den Graffiti-Schmierereien an der Außenwand des Gebäudes. Denn diese seien von der Überwachung überhaupt nicht erfasst. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass es zu Schmierereien auch im Innenbereich kommen könnte, waren nicht erkennbar.

Beiden Interessen könne angesichts der Struktur des Gebäudes und der Mieterschaft nicht anders als durch eine Videoüberwachung begegnet werden.  Selbst der Einsatz von Wachpersonal sei nicht in gleicher Weise geeignet, eine Überwachung des Gebäudes an sämtlichen relevanten Punkten mit vertretbarem Aufwand sicherzustellen.

Überwiegende schutzwürdige Interessen der Betroffenen stünden dem auch nicht entgegen. Das Black-box-Verfahren sei besonders schonend, weil eben gerade keine permanente Überprüfung der Aufnahmen an einem Monitor erfolge, sondern diese nur im Bedarfsfalle angesehen würden. Die Speicherfrist von zehn Tagen sei ebenfalls hinreichend kurz; ältere Daten würden überschrieben und damit unlesbar gemacht.

Die Entscheidung ist zu begrüßen. Denn sie legt handhabbare und angemessene Kriterien für die Zulässigkeit einer Videoüberwachung. Das Hausrecht dürfte zumindest in großen und unübersichtlichen Komplexen mit mehreren Mietern häufig eine ausreichende Grundlage für eine solche Überwachung liefern. Ist es bereits nachweislich zu Straftaten gekommen, wird regelmäßig von einem hinreichenden berechtigten Interesse auszugehen sein, künftige Straftaten leichter aufklären zu können. Dabei sind Black-box-Verfahren mit kurzen Speicherfristen am besten geeignet, einen angemessenen Ausgleich der Interessen sicherzustellen.

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