Nur wenige Zeilen benötigte der BGH, um in einer Entscheidung gleich drei wesentliche Streitpunkte des IT-Rechts vorerst zu beseitigen (Urteil vom 05.06.2014 (VII ZR 276/13). Er stellte klar, welchen Rechtscharakter Verträge über die Anpassung von Software haben. Er strich heraus, was der Besteller einer solchen Software im Falle von Mängeln vor Gericht vortragen muss. Und er klärte, wie eine Zahlung trotz vorliegender Mängel rechtlich zu bewerten ist.
Darum ging’s: Ein Möbelhaus wollte ein Warenwirtschaftssystem einführen. Hierzu sollte eine Standardlösung an die speziellen Bedürfnisse angepasst werden. Außerdem sollte mit einer Schnittstelle der automatische Datenaustausch zwischen dem System und dem Webshop des Möbelhauses hergestellt werden. Finanziert wurde das Geschäft über eine Leasinggesellschaft. Auf entsprechende Mitteilung des Softwarehauses, die Software sei funktionsfähig übergeben worden, zahlte diese Leasinggesellschaft den vereinbarten Preis aus. Das Möbelhaus behauptete dennoch, die Software sei mangelhaft, insbesondere funktioniere der Datenaustausch über die Schnittstelle nicht. Das Softwarehaus wandte hiergegen ein, dies sei auf nachträgliche Änderungen an der Software zurückzuführen. Ein Mangel habe nie vorgelegen. Weil die Fehlfunktion seitens des Softwarehauses nicht abgestellt wurde, trat das Möbelhaus von dem Vertrag zurück und forderte auch den gezahlten Lohn zurück.
Anders als die Vorinstanz sieht der BGH die Klage nicht als von vornherein unbegründet an. Dazu führen die Richter aus:
1. Bei einem Vertrag, der auf die Anpassung von Software an die Bedürfnisse des Kunden und die Schaffung von Schnittstellen zu den Online-Shops gerichtet ist, handelt es sich um einen Werkvertrag.
Das war im vorliegenden Fall zwar praktisch ohne große Bedeutung. Das Gericht nutzt dennoch erfreulicherweise die Gelegenheit zur Klärung dieser Frage. Denn bislang hielt sich hartnäckig die Ansicht, bei solchen Verträgen handele es sich um sog. Werklieferverträge gem. § 651 BGB, auf die überwiegend Kaufrecht Anwendung finde. Das hat Auswirkungen auf die Frage der Abnahmebedürftigkeit einerseits, aber auch im Hinblick auf die Mängelgewährleistungsrechte. Insbesondere fehlt im Kaufrecht das Recht des Bestellers, im Falle von Mängeln selbst oder durch einen Dritten den vertraglichen Erfolg herbeizuführen (Ersatzvornahme).
Mit diesem Urteil dürfte der Streit nun dahingehend entschieden sein, dass – abgesehen von wirklich marginalen Anpassungsleistungen – auf solche Verträge stets Werkvertragsrecht anzuwenden ist. Immerhin ging es vorliegend „nur“ um ein rund sechswöchiges Projekt mit einem Umfang von nicht mehr als rund 22.000 Euro.
2. Der BGH stellt klar, dass es nicht Sache des Bestellers einer solchen Software ist, die Ursache für einen auftretenden Mangel zu erforschen und im Prozess darzulegen. Er genügt seiner Darlegungspflicht, wenn er den Mangel als solchen benennt. Hier reichte es also aus, dass das Möbelhaus vortrug, die Schnittstelle zum Online-Shop funktioniere nicht.
Das hatte die Vorinstanz noch anders gesehen und dabei angeführt, das Möbelhaus habe die Software schließlich abgenommen. Dem widerspricht der BGH deutlich und erklärt, hierin liege eine unzulässige Vermischung von Darlegungs- und Beweisfragen.
Was er damit sagen will: Dass der Besteller nur den Mangel als solchen beschreiben muss, ist das eine. Etwas anderes bleibt es natürlich, dass die Mangelhaftigkeit im Prozess möglicherweise auch bewiesen werden muss. Hierfür bedarf es dann in der Regel eines Gutachtens. Das ändert aber nichts daran, dass der Besteller nicht von vornherein schon Angaben zur Mangelursache machen muss.
Auch dies eine erfreuliche und richtige Feststellung. Denn bislang ist es in Prozessen über die Mangelhaftigkeit von Software ein beliebtes Spiel, den Bestellern von Software vorzuwerfen, sie würden Mängel nicht ausreichend genau beschreiben, insbesondere nichts zu deren Ursache vortragen. Dies ist den – technisch häufig nicht entsprechend vorgebildeten – Bestellern aber regelmäßig gar nicht möglich.
Eine höchstrichterliche Meinung zu dieser Frage gab es bislang speziell für den Bereich des IT-Rechts nicht. Im Sinne der Besteller war stets auf andere Entscheidungen, insbesondere aus dem Bereich des Baurechts zurückzugreifen. Dies hat der BGH nunmehr geändert, was Prozesse aus Bestellersicht vereinfachen dürfte.
3. Schließlich äußert sich der BGH auch noch dazu, ob eine Zahlung per se als Abnahmeerklärung zu werten ist oder nicht. Und auch hier erfrischende Klarheit: Denn die Richter führen aus, dass zumindest dann, wenn feststeht, dass die Software noch nicht fertiggestellt ist, auch in der vollständigen Zahlung keine Erklärung zu sehen sei, nach der das Werk im Wesentlichen vertragsgemäß erstellt worden ist.
Auch dies ist bislang immer wieder Gegenstand von Prozessen. Insbesondere im Falle von Abschlagzahlungen während der Projektlaufzeit wird häufig damit argumentiert, in diesen Zahlungen habe eine Billigung der bis dahin erstellten Software als vertragsgemäß gelegen.
Diese Auffassung dürfte nunmehr ebenfalls überholt sein. Eine Abnahme bedarf eben der ausdrücklichen oder konkludenten Erklärung, das Werk sei „in Ordnung“. Diese Erklärung aus der bloßen Überweisung von Geld – zumal von Abschlägen – abzuleiten, ist nach der Klarstellung des BGH kaum mehr möglich.