Eine klassische Konstellation: Die Parteien vereinbaren vertraglich die Schriftform. Im Projekt werden dann aber vor allem E-Mails untereinander ausgetauscht. Kommt es dann zu Schwierigkeiten, beruft sich eine Seite darauf, bestimmte per E-Mail abgegebene Erklärungen der Vertragsgegenseite seien nicht wirksam, weil sie dem Schriftformerfordernis nicht genügten. Eine Argumentation, die nach einem Urteil des OLG München regelmäßig wohl kaum noch haltbar sein wird (Urteil vom 26.01.2012 – 23 U 3798/11).
Das Gericht beruft sich dabei auf eine häufig übersehene Vorschrift im BGB. § 127 Abs. 2 Satz 1 BGB regelt die sogenannte gewillkürte Schriftform, also diejenige Schriftform, welche Vertragsparteien untereinander verabreden, ohne dass das Gesetz sie zwingend vorsähe. Für diese vertraglichen Schriftformerfordernisse sieht das Gesetz vor, dass grundsätzlich auch die Erklärung per Fax oder E-Mail ausreichend sei. Anders liegt der Fall nur dann, wenn ein anderer Wille der Parteien erkennbar sei.
Genau hier liegt der Knackpunkt, wenn im Laufe eines Projekts Erklärungen praktisch ausschließlich mit einfacher E-Mail ausgetauscht werden. Hier wird es nahezu unmöglich, sich im Streitfall auf die Nichteinhaltung der Schriftform zu berufen.
Zwei Konsequenzen ergeben sich hieraus für die Vertragspraxis:
1. sollten Projektverantwortliche und -mitarbeiter dringend und ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass auch einfache E-Mails möglicherweise weitreichende rechtliche Folgen haben können, so z.B. ein einfaches „OK“ auf einen Change Request des Kunden. Den Teammitgliedern sollte eingeschärft werden, auch im Rahmen der Kommunikation per E-Mail dieselbe Sorgfalt walten zu lassen wie bei der Brief-Kommunikation.
2. sollten alternativ Prozesse etabliert werden, nach denen bestimmte wichtige Erklärungen (Changes, Austausch von Projektmitarbeiter, Einforderung von Mitwirkungspflichten etc.) tatsächlich ausschließlich unter Einhaltung der klassischen Schriftform abgegeben und auch angenommen werden. Weisen Sie den Kunden von Beginn darauf hin, dass ein Change Request per E-Mail nicht als solcher akzeptiert wird, sondern hierfür ein schriftliches Dokument erforderlich sei. Was zunächst kompliziert wirkt, kann im Streitfall entscheidend sein.