Bei der Prüfung, ob eine Geschmacksmusterrechtsverletzung vorliegt, muss der Schutzumfang des älteren Musters bestimmt werden. Fällt das jüngere Muster in diesen Schutzbereich, liegt eine Verletzung vor.
In einer neuen Entscheidung des BGH (Urteil vom 19.05.2010, Az. I ZR 71/08) ging es um die Frage der Bestimmung des Schutzumfangs. Dabei handelte es sich bei dem älteren Geschmacksmuster um ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster, so dass eine richtlinienkonforme Auslegung solcher Begriffe erforderlich ist.
Im konkreten Fall handelte es sich bei dem älteren Geschmacksmuster um einen Untersetzer aus verchromten Metallstäben, die kreuz und quer angeordnet sind. Bei dem jüngeren Geschmacksmuster handelte es sich ebenfalls um einen Untersetzer, allerdings ist dieser aus Plastik aber mit einem Muster von kreuz und quer angeordneten Stäben versehen.
Das Gericht hat sich in diesem Urteil umfassend mit der Frage der Bestimmung des Schutzumfangs des älteren Geschmacksmusters befasst. Zunächst stellte das Gericht fest, dass die Bestimmung des Schutzumfangs nicht davon abhängt, woraus sich die Eigenart des älteren Geschmacksmusters ergibt. Zwar muss das Muster die für das entstehen erforderliche Eigenart aufweisen. Diese Eigenart ist gegeben, wenn sich der Gesamteindruck, der beim informierten Benutzer hervorgerufen wird, von dem Gesamteindruck unterscheidet, den andere, bereits offenbarte Muster beim Benutzer hervorruft. Die Merkmale, die das Geschmacksmuster von dem bereits bekannten Formenschatz unterscheidet, sind jedoch nicht für den Schutzbereich des Musters relevant.
Vielmehr muss der jeweilige Gesamteindruck der sich im Verletzungsstreit gegenüberstehenden Geschmacksmuster berücksichtigt werden: Was stimmt überein? Was ist anders? Im Rahmen dieser Prüfung ist der Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei der Entwicklung seines Musters zu berücksichtigen. Ist die Dichte der bereits bekannten Muster hoch gewesen, dann hatte der Entwerfer nur einen begrenzten Gestaltungsspielraum; dies hat zur Folge, dass der Schutzbereich für sein Muster auch entsprechend eng ist. Bei einem nur engen Schutzbereich müssen dann nur geringe Gestaltungsunterschiede zwischen den streitgegenständlichen Mustern bestehen, um eine Rechtsverletzung auszuräumen.
In dieser Entscheidung muss beachtet werden, dass der BGH bei der Feststellung des Schutzumfangs auf den Zeitpunkt der Eintragung des älteren Geschmackmusters abgestellt hat. Dies wurde damit begründet, dass sich der Schutzumfang aufgrund nachträglicher Umstände ändern könnte, wenn nicht auf diesen Zeitpunkt abgestellt werden würde. Das EuG hält diesen Zeitpunkt allerdings nicht für maßgeblich. Das bedeutet, dass es vor anderen Gerichten zu einer abweichenden Beurteilung kommen könnte. Eine abschließende Regelung durch den EuGH steht jedoch nicht an.