BGH: Haftung für nicht ausreichend gesicherten W-LAN Anschluß

Viele wird es freuen, wenige ärgern. Der BGH hat in einer mit Spannung erwarteten Entscheidung vom heutigen Tag (I ZR 121/08) entschieden, daß der Inhaber eines W-LAN Anschlusses zwar auf Unterlassung in Anspruch genommen werden kann und die Kosten für die Abmahnung durch den Rechtsanwalt tragen müsse. Schadensersatz schuldet er nur im Falle der vorsätzlichen Beihilfe.

Zum Sachverhalt. Der Musiktitel „Sommer unseres Lebens“ wurde über den Internetanschluss des Beklagten auf einer Tauschbörse zum Herunterladen im Internet angeboten. Der Inhaber des Anschlusses war im Urlaub und bekam wenig später Post von einem Anwalt,  der Ansprüche auf Unterlassung, Schadensersatz und Erstattung von Abmahnkosten geltend machte.

Der BGH stellte kurz fest, daß der Inhaber des Anschlusses nicht als als Täter oder Teilnehmer einer Urheberrechtsverletzung hafte.  Privaten – wie gewerblichen – Anschlussinhabern hätten aber die Pflicht zu überprüfen, ob ihr WLAN-Anschluss angemessen gegen Missbrauch durch Dritte geschützt ist. Einem privaten Betreiber eines WLAN-Netzes könne zwar nicht zugemutet werden, die Sicherheitsmaßnahmen ständig dem neuesten Stand der Technik anzupassen und entsprechende Kosten aufzuwenden. Die Prüfpflicht bezieht sich daher auf die technischen Aspekte, die zum Zeitpunkt der Installation des Routers bestanden haben und umfassen die jeweils marktüblichen Sicherungsmaßnahmen. Die aber sind einzuhalten.

Die hatte der Beklagte verletzt. Der Beklagte kann deshalb nach den Maßstäben der Störerhaftung auf Unterlassung und auf Erstattung der Abmahnkosten nach aktuellem Stand also maximal 100 €.  Schadensersatz schuldet der Beklagte hingegen nicht, da er nicht selbst die Titel im Internet zugänglich gemacht habe und ihm auch der für die Gehilfenhaftung erforderliche Vorsatz nicht nachgewiesen werden kann.

Kommentar: Das spannende an dieser Entscheidung ist ihre Auswirkung für die Abmahnindustrie bestimmter Kanzleien, die sich in der Vergangenheit mit Massenabmahnungen hervorgetan hatten. Ihr Geschäftsmodell ist nun faktisch zum NIedergang verurteilt oder wird drastische Rückschläge hinnehmen müssen.

Bislang haben diese Kanzleien immer wieder versucht, die Abgemahnten in einen „günstigen“ Vergleich zu drängen. Das Druckmittel bestand in einem vermeidlichen Schadensersatzanspruch, der sich pro Musiktitel berechnete und im Einzelfall schnell   mehrere tausend Euro umfassen konnte. Fehlt es aber an dem Schadensersatzanspruch, entfällt dieses Druckmittel.  Zudem: Wenn nur noch Anwalt Geld verlangen kann, warum sollte der Geschädigte klagen? Die Sternchen der Musikindustrie, die gerade im Internet von dem illegalen Down- oder Upload profitierten, haben jetzt nur noch geringe Chancen, Ihre finanziellen Interessen durch Anwälte verfolgen zu lassen. Immer droht der Einwand, daß ein anderer das WLAN missbraucht habe. Wer nicht alleine lebt, hat in Zukunft gute Chancen, jeden Zahlungsanspruch oberhalb von 100 Euro brüsk zurück zu weisen, wenn er nachweisen kann, die Rechtsverletzung nicht selbst begangen zu haben und wenn eben einfach gelagerter Fall vorliegt. Und dann rechnet sich die Abmahnung nicht. Für die Abmahnung müssen die Kosten für verschiedene Dienstleister gezahlt werden, z.B. derjenige, der  die IP Adressen ermittelt – auch der will Geld verdienen – und dann müssen noch die Echtdaten mittels Beschluß vom LG Köln ermittelt werden, was ebenfalls Geld kostet und dann müssen die Abmahnung gedruckt, ausgefertigt werden und Anwälte bezahlt werden. So man dann auch noch in Erwägung zieht, daß nur etwa 40% bis 45% der Abgemahnten überhaupt freiwillig zahlen und der Rest der Betroffenen sich überhaupt nicht meldet und nicht zahlt oder eine modifizierte Unterlassungsverpflichtungserklärung abgibt und auch nicht zahlt , rechnet sich das gesamte Geschäftsmodell für die Abmahnanwälte nicht mehr.

Das bedeutet nicht, daß die Kosten für die Rechtsverfolgung der Anwälte nicht mehr gezahlt werden müssen. Ob es 100 € oder mehr sind, richtet sich eben danach, wie viele Dateien herunter geladen wurden. Klar gesagt stellt es für die Anwälte keinen größeren Arbeitseinsatz dar, einen Container zu verfolgen oder nur eine einzelne Datei. Und auch Kanzlei wie Walddorf werden sich fragen lassen müssen, worin eigentlich die besonderen Umstände liegen, die einen Fall den Bereich von 100€ übersteigen lassen. An der Arbeit liegt es nicht, die ist jedesmal die gleiche – und die immer in den Abmahnschreiben zitierten historischen Quellen weisen haarscharf darauf hin, daß es der Gesetzgeber darauf abgesehen hatte, der schematischen Abmahntätigkeit bestimmter Kanzleien das Handwerk zu legen.

Das bedeutet, daß das im Einzelfall zu zahlende Honorar eben auch höher liegen kann als 100 €. Nur ist eben nur noch dann ein Schadensersatz geschuldet, wenn der Anschlußinhaber der Täter war oder ihm Vorsatz nachzuweisen ist. In allen anderen Fällen hat eine Kanzlei, die sich mit dem Massengeschäft Abmahnung verdient macht, kaum eine realistische Chance, Geld zu verdienen. Der Schadensersatz ist entweder nicht gegeben oder lässt sich nur sehr schwer durchsetzen. Da die Kanzleien aus standesrechtlichen Gründen ihre Honorare nicht mit dem Mandanten teilen dürfen, macht eine Abmahntätigkeit von Anwälten aus der Sicht der Auftraggeber nur dann einen Sinn, wenn der Schadensersatz nicht im Fokus des Interesses steht. Und da die Meisten „Musiker“ Anwälte nur dann arbeiten lassen, wenn sie damit auch Geld verdienen, bricht dieser Markt nun langsam aber sicher in sich zusammen. Zu traurig.

Um nicht missverstanden zu werden: Urheberrechtsverstöße sind keine Bagatelldelikte. Insofern verstehe ich die „Hilfs“ Foren nicht, in denen sich viele mit der Abwehr von Ansprüchen auseinandersetzen aber wenige einsehen, daß sie einfach etwas falsches getan haben. Wer Äpfel aus Omas Laden klaut ist kein Held, nur weil im Forum bloggt und sich über Anwälte ärgert. Er ist ein Dieb, der die Folgen seiner Tat selbst verursacht hat. Aber 500 Euro pro Rechtsverstoß sind für viele Menschen viel Geld. Ich habe aber auch keine Sympathie mit denjenigen, die aus dem Rechtsmissbrauch von wenigen ein profitables Rechtsgeschäft machen, das die Anwaltschaft insgesamt in Mitleidenschaft zieht, indem sie massenhaft mit Kanonen auf Spatzen zielt.

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