Einführung:
Im Markenrecht stellt sich häufig das Problem, ob zwischen zwei sich gegenüberstehenden Marken eine Verwechslungsgefahr vorliegt. Eine Verwechslungsgefahr liegt vor, wenn der Verkehr davon ausgehen könnte, dass die betroffenen Waren und Dienstleistungen aus demselben Unternehmen stammen. Selbst wenn nur der Eindruck entsteht, dass die Inhaber der Marken wirtschaftlich miteinander verbunden sind, kann eine Verwechslungsgefahr vorliegen.
Grundsätzlich sind alle Umstände des Einzelfalles bei der Beurteilung zu berücksichtigen. Eine Verwechslungsgefahr hängt maßgeblich von folgenden Faktoren ab: Grad der Ähnlichkeit der Zeichen, Grad der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen und der Kennzeichnungskraft des älteren Zeichens. Zwischen diesen Faktoren besteht eine Wechselwirkung. Die Beurteilung hat vom Standpunkt eines normal informierten und angemessenen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers zu erfolgen. Je nach Ware und Dienstleistung kann die Aufmerksamkeit eines Verbrauchers variieren.
Bezüglich der Ähnlichkeit der Zeichen sind die bildlichen, klanglichen und inhaltlichen Elemente, die sich auf den Gesamteindruck auswirken, zu beachten. Es kann dominierende oder unterscheidungskräftige Bestandteile innerhalb eines Zeichens geben.
Dieser Punkt ist jedoch insoweit problematisch, da häufig ungewiss ist: Wann ist ein Bestandteil dominierend und welche Auswirkung hat ein solches Element auf die Prüfung der Verwechslungsgefahr. Denn sowohl die europäischen als auch die deutschen Gerichte betonen stets, dass der Verkehr grundsätzlich ein Zeichen in seiner Gesamtheit wahrnimmt und nicht in seinen Einzelteilen.
Die Bedeutung des ersten Wortes in einem mehrgliedrigen Zeichen
In einer aktuellen Entscheidung des EuGH ging es auch um die Frage der Bedeutung eines nach Auffassung der Klägerin prägenden Wortes innerhalb eines mehrgliedrigen Zeichens, siehe das Urteil des EuGH vom 18.12.2008, Az. T-287/06
Die Inhaber einer Vielzahl von Marken, die alle den Bestandteil „Torres“ beinhalten, gingen gegen die Eintragung des Zeichens „torre albéniz“ als Gemeinschaftsmarke vor.
Die sich gegenüberstehenden Marken nehmen die Klasse 33 (alkoholische Getränke) für sich in Anspruch.
Bei einer Identität der Waren muss der Abstand zwischen den Zeichen unter Berücksichtigung der Bekanntheit der ältern Marke entsprechend groß sein.
Obgleich die Klägerin dargelegt hat, dass die Unterscheidungskraft ihrer unterschiedlichen Marken insbesondere auf dem Bestandteil „Torres“ beruhe, war diese Tatsache nicht ausreichend, um bei der jüngeren Marke von einer ähnlichen dominierenden Position auszugehen. Das Gericht lehnte auch den Gedanken ab, dass die Positionierung des Bestandteils „torre“ in den gegnerischen Zeichen dazu führen müsse, dass dieser Bestandteil auch somit zu einer Dominierung des Wortes im Rahmen der jüngeren Marke führe. Denn nach Auffassung der Klägerin stünden sich „Torres“ und „torre“ gegenüber. „Nichts lässt nämlich die Annahme zu, dass der normal informierte und angemessene aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher den zweiten Teil eines Wortbestandteiles einer Marke regelmäßig vernachlässigt und nur dessen ersten Teil im Gedächtnis behält…“, siehe EuGH, Urteil vom 18.12.2008, Az. T-287/06, Rn. 56.
Auch der Einwand der Klägerin, dass ein Großteil der Verbraucher die Bedeutung des jüngeren Zeichens aus sprachlichen Gründen nicht verstünde und somit nicht die unterschiedliche Bedeutung der beiden Zeichen nachvollziehen könne, war für das Gericht nicht entscheidend. Das Gericht war der Auffassung, dass wenn auch nur ein Teil des Verkehrs, im vorliegenden Fall Spanien, Italien und Portugal, die Bedeutung der Begriffe und damit auch die Unterschiede in der Bedeutung zweier Zeichen verstünde, so müsse dies bei der Beurteilung einer etwaigen Verwechslungsgefahr beachtet werden.
Das Gericht kam daher zum Ergebnis, dass zwischen den Marken der Klägerin und dem jüngeren Zeichen keine Verwechslungsgefahr vorliegt.