Wettbewerbsrecht: „Einfache“ Rechtsverstöße und Abmahnungen, insbesondere im Internet

Verstöße gegen Gesetze und Abmahnungen im Wettbewerbsrecht, besonders im Internet

Bedeutung des § 4 Nr. 11 UWG

Eigentlich könnte sich derjenige, der Maschinen verkauft, importiert oder herstellt, fragen welche Bedeutung das Wettbewerbsrecht eigentlich für ihn hat. Viele der Vorschriften des Produktsicherheitsgesetzes, der zahlreichen Verordnungen, Vorschriften und Richtlinien auf die das Produktsicherheitsgesetz verweist, dienen eigentlich nur der Gefahrenabwehr. Natürlich sollen keine Geräte auf den Markt kommen, die für den Benutzer gefährlich sind und natürlich ist es so, daß der Staat etwas gegen solche Maschinen unternehmen muß. Aber welche Rolle hat in diesen Zusammenhang das Wettbewerbsrecht?

Die Antwort ist einfach und unbequem: Es gibt im UWG eine Norm, nämlich den § 4 Nr. 11 UWG, die den Zusammenhang herstellt. Diese besagt, daß unlauter und damit wettbewerbswidrig derjenige handelt, der „einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Teilnehmer das Marktverhalten zu regeln“. Diese Norm ist das zentrale Einfalltor insbesondere für diejenigen Wettbewerber, die mit scharfen Augen darüber wachen, daß andere Unternehmen sich korrekt an Recht und Gesetz halten. Oder anders gesagt: Die Norm bietet finanzstarken Unternehmen einen idealen Hebel, um kleinere und mittlere Unternehmen abzumahnen, die in Unkenntnis der gesetzlichen Regelung für ihre Produkte Werbung betreiben, ohne die zahlreichen verwinkelten und die teilweise selbst für Juristen unübersichtliche Rechtslage zu kennen. Wer gegen ein Gesetz verstößt, daß auch dazu dient, das Marktverhalten anderer zu steuern, kann abgemahnt werden. Das hört sich im ersten Moment ganz einfach an und hat auf den zweiten Blick sehr schwerwiegende Konsequenzen:

Es ist schwer, sich an das Gesetz zu halten.

Warum? Weil gerade im Bereich des Handels nicht nur zahlreiche deutsche Vorschriften zu beachten sind, sondern auch insbesondere viele Normen der europäischen Union zu einer fast inflationäen Vermehrung von Vorschriften führen, die schwer zu finden sind und die sich zudem auch noch schnell ändern. Die Vorschriften, die es gibt, verweisen meist auf andere Vorschriften, die sich schnell verändern. Und ganz nebenbei ist die Auslegung von Vorschriften meist auch noch von Gericht zu Gericht verschieden. Wenn ein Anwalt eine Abmahnung verfasst, hängt es manchmal von der Prozessstrategie ab, ob man den Prozeß verliert oder welche Kosten auf einen zukommen.

Normenflut, mangelhafte Systematik, unklare Auslegung

 Verwaltungsrecht wird Jurastudenten vorgestellt mit dem alten Satz: Von der Wiege bis zur Bahre, Formulare, Formulare. Die Vorschriften, die der Kennzeichnung von Produkten oder dem Schutz von Leib, Gesundheit oder Eigentum dienen sollen, gehören dem öffentlichen Recht an. Diese Vorschriften zu beachten, fällt angesichts ihrer Menge und teilweise völlig wirren Systematik und der teilweisen Regelungswut der rechtssetzenden Stellen schwer.  Und die unklare Auslegung vieler Vorschriften – man erinnere sich nur an den unsäglichen Unsinn, der mit der Textform der Widerrufsbelehrung und der damit verbundenen Widerrufsfrist zusammenhing (Landgerichte Flensburg und Paderborn 2 Wochen, andere Gerichte dagegen 1 Monat) – verschärft das Risiko noch zusätzlich. Angesichts dessen kann nicht ohne Berechtigung argumentieren, daß Vorschriften, die eigentlich dem Schutz von Leben und Gesundheit dienen nicht die Mittel bieten dürften, damit Unternehmen die Konkurrenz behelligen oder gar auszuschalten versuchen. Gerade eine deutsche Elektronikhändlerkette hat mit Hilfe eines Anwalts (der inzwischen nicht mehr für die Kette arbeitet) eine ganze Reihe von kleinen Händlern in den Ruin getrieben. Dazu ist der § 4 Nr.11 UWG bestimmt nicht gedacht. Aber die Rechtslage zwingt zu der Aussage:

Wer  sich nicht die Hilfe eines Anwalts leisten kann, der sich ständig über die aktuelle Rechtslage informiert und mögliche Schwachpunkte aufzeigt, kann zum dauerhaften Ziel von Abmahnungen werden.

Stefan G. Kramer

Rechtsanwalt

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