Datenschutzrecht: Pflicht zur Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses

Etwaige Vorstrafen können für die weitere berufliche Entwicklung des straffällig Gewordenen ausgesprochen hinderlich sein. Deshalb gelten für die Pflicht zur Vorlage eines Führungszeugnisses und ein entsprechendes Fragerecht des Arbeitgebers recht strenge Voraussetzungen. Wichtig ist, dass ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers an bestimmten Vorstrafen besteht, z.B. bei der Einstellung einer wegen Unterschlagung vorbestraften Kassiererin. Neben dem einfachen Führungszeugnis gibt es seit 2010 das sog. Erweiterte Führungszeugnis, das spezielle Angaben zu Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und gegenüber Minderjährigen enthält. Unter welchen Voraussetzungen ein Arbeitgeber dessen Vorlage verlangen kann, hatte das LAG Hamm zu entscheiden (LAG Hamm, Urteil von 04.07.2014 – 10 Sa 171/14).

Das erweiterte Führungszeugnis wurde als Reaktion auf die Aufdeckung zahlreicher Missbrauchsskandale in kirchlichen und schulischen Einrichtungen geschaffen. Es soll Arbeitgebern die Möglichkeit verschaffen, ein speziell auf diejenigen Arbeitsbereiche, in denen Kontakt zu Minderjährigen besteht, ausgerichtetes Führungszeugnis zu erlangen. Zweck der Vorschrift ist der Schutz der Minderjährigen vor sexualisierter Gewalt. Die Voraussetzungen sind im Einzelnen in § 30a Abs. 1 Nr. 2 BZRG geregelt. Diese Vorschrift stellt zugleich eine datenschutzrechtliche Erlaubnis für den Arbeitgeber dar, die abgefragten Daten für die Zwecke des Arbeitsverhältnisses oder die Entscheidung über dessen Begründung bzw. Beendigung zu verarbeiten.

Bislang ungeklärt allerdings ist die Frage, wie die in § 30a Abs. 1 Nr. 2 BZRG genannten Voraussetzungen zu verstehen sind. Das LAG Hamm vertritt hier eine Position, in der die Interessen der zu schützenden Minderjährigen und des Arbeitgebers an möglichst umfassender Information einerseits und das Interesse des Arbeitnehmers an einer möglichst geringfügigen Preisgabe personenbezogener Daten gegenüber dem Arbeitgeber andererseits miteinander abgewogen werden. Die Entscheidung ist allerdings noch nicht rechtskräftig, weil das LAG Hamm die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen hat. Von dort wird voraussichtlich im Jahr 2015 eine höchstrichterliche Klärung der Frage erfolgen.

Die Linie des LAG Hamm indes erscheint interessengerecht. Im konkreten Fall verlangte der Träger einer großen Einrichtung für Menschen mit Behinderung von sämtlichen rund 900 Mitarbeitern die Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses. Die spätere Klägerin verweigerte sich, weil sie die Voraussetzungen des § 30a Abs. 1 Nr. 2 BZRG in ihrem Fall nicht als erfüllt ansah. Daraufhin erhielt sie zwei Abmahnungen, auf deren Entfernung aus der Personalakte die – vor dem LAG Hamm erfolgreiche – Klage gerichtet war.

Das Gericht sah ebenfalls nicht, dass bezogen auf die Klägerin ein Anspruch auf Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses bestehe. Denn die Möglichkeit, dass die Klägerin im Rahmen ihrer Tätigkeit mit Minderjährigen in Kontakt treten könnte, sei lediglich theoretischer Natur. Das reiche für die Pflicht aus § 30a Abs. 1 Nr 2 BZRG nicht aus.

Insbesondere hielt das Gericht die folgenden Argumente des Arbeitgebers nicht für stichhaltig. Diese Überlegungen dürften durchaus verallgemeinerungsfähig sein, jedenfalls wenn sie durch das Bundesarbeitsgericht bestätigt werden sollten.

1. Es ist nicht ausreichend, dass ein Mitarbeiter, der bislang keinen Kontakt zu Minderjährigen hat, vom Arbeitgeber einen anderen Tätigkeitsbereich zugewiesen bekommen könnte, der den Kontakt zu Minderjährigen einschlösse. Im konkreten Fall war die Klägerin in einer Wohngruppe für Erwachsene tätig. Der Arbeitgeber hatte gemeint, die Klägerin könne künftig auch in eine Wohngruppe für Jugendliche versetzt werden.

2. Es ist nicht ausreichend, dass in der Wohngruppe der Klägerin Minderjährige als Praktikanten eingesetzt werden könnten. Im konkreten Fall war dies nämlich bis dato nie der Fall gewesen. Die bloß theoretisch denkbare Möglichkeit, dass sich dies künftig ändern könnte, reichte dem Gericht nicht.

3. Es ist nicht ausreichend, dass die Klägerin im Rahmen ihrer Tätigkeit in der Mitarbeitervertretung Kontakt zu Minderjährigen haben könnte. Zum einen hatte es im streitbefangenen Zeitraum überhaupt keine minderjährigen Mitarbeiter gegeben. Zum anderen sah das Gericht auch keine besondere Gefährdungslage, die durch den Kontakt zu minderjährigen Kollegen bestünde.

Hinsichtlich der unter Punkt 1 und 2 genannten Argumente verwies das Gericht den Arbeitgeber darauf, dass, sobald eine Versetzung der Klägerin anstünde oder minderjährige Praktikanten eingesetzt würden, die Einholung eines erweiterten Führungszeugnisses nachgeholt werden könnte. Denn dann, aber eben auch erst dann seien die gesetzlichen Voraussetzungen gegeben.

Insbesondere diese letzte Überlegung lässt das Urteil als ausgewogen erscheinen. Im Datenschutzrecht gilt schließlich der Grundsatz der Datenvermeidung. Es sollen immer nur diejenigen Daten erhoben werden, die tatsächlich erforderlich sind. Vor diesem Hintergrund ist es nur konsequent, die Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses erst dann verpflichtend einzufordern, wenn tatsächlich Kontakt zu Minderjährigen besteht. Anderenfalls ist die in § 30a BZRG beschriebene besondere Gefährdungslage schlicht nicht gegeben – die Norm taugt somit nicht als datenschutzrechtlicher Erlaubnistatbestand.

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