Das deutsche Designrecht und das europäische Geschmacksmusterrecht verleihen den Inhabern eingetragener Muster einen starken Schutz ihrer Gestaltungen. Gleichzeitig ist das Eintragungsverfahren in der Regel schnell und kostengünstig. Denn geprüft werden lediglich Formalia. Ob das angemeldete Design bzw. Geschmacksmuster wirklich neu ist und sich hinreichend deutlich von vorbekannten Mustern unterscheidet, wird im Eintragungsverfahren nicht geprüft. Dennoch sollten – um das Muster später auch effektiv zur Abwehr gegen Nachahmungen einsetzen zu können – die Schutzvoraussetzungen vor der Eintragung sorgfältig untersucht werden. Das EuG hat für das Gemeinschaftsgeschmacksmuster zur Frage der Schutzfähigkeit für nicht sichtbare Elemente eines Musters wichtige Leitlinien entwickelt (EuG, Urteil vom 03.10.2014 – T-39/13).
Aufgrund des zuvor beschriebenen unkomplizierten Eintragungsverfahrens und des weitreichenden Schutzes des Gemeinschaftsgeschmacksmusters, erfreut sich das Designrecht inzwischen großer Beliebtheit. Eingetragen werden dabei längst nicht mehr nur Gestaltungen, die man landläufig als „Design“ bezeichnen würde. Das Designrecht dient vielmehr vor allem dazu, auch wenig künstlerische Gestaltungen von Alltagsprodukten gegen Nachahmungen der Konkurrenz zu schützen. Entscheidend für den Schutz des Musters ist dann vor allem die Frage, inwieweit die Gestaltung unabhängig von technischen oder zweckbedingten Notwendigkeiten Eigenart aufweist, sich also von den zum Zeitpunkt der Anmeldungen bekannten Mustern unterscheidet.
Dem EuG lag ein Fall zur Entscheidung vor, in dem es um ein eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster ging. Dieses bestand aus einer Fläche und zwei Seitenteilen und war dazu bestimmt, in Fußleisten zur Abdeckung von Hohlräumen eingebaut zu werden. Gegen diese Eintragung war Widerspruch erhoben worden, weil das Geschmacksmuster von älteren Fußleistenelementen gestalterisch nicht abweiche, ihm dementsprechend die Neuheit gefehlt habe.
Das EuG lehnte die Löschung des Gemeinschaftsgeschmacksmusters ab, nutzte die Gelegenheit des Verfahrens aber für grundsätzliche Ausführungen zur Schutzfähigkeit nicht sichtbarer Elemente eines Designs. Das Gemeinschaftsgeschmacksmusterrecht sieht nämlich vor, dass Designs, die bestimmungsgemäß Bestandteil eines anderen, komplexen Erzeugnisses sind, nur insoweit Schutz genießen, als die bei bestimmungsgemäßer Verwendung sichtbaren Teile für sich genommen zum Zeitpunkt der Anmeldung neu und eigenartig sind.
Die beiden hier zu vergleichenden Muster werden beide bestimmungsgemäß in Fußleisten verbaut. Dass hypothetisch auch andere Verwendungen in Betracht kommen, spiele insoweit keine Rolle. Auch ließ das Gericht nicht gelten, dass im Rahmen der Montage oder bei späteren Arbeiten an der Fußleiste (z.B. der Installation von Kabeln, die unter der Fußleiste verdeckt werden sollen) auch die ansonsten nicht sichtbaren Elemente des Designs zutage träten. Schließlich ließ das EuG auch den Vortrag nicht gelten, dass diese Elemente auch dann sichtbar blieben, wenn die Fußleiste insgesamt aus transparentem Material gefertigt würde.
Mit dieser sehr weiten und kompromisslosen Linie schränkt das EuG die Schutzfähigkeit solcher Muster stark ein, die bestimmungsgemäß als Bestandteil eines komplexen Erzeugnisses verbaut werden sollen. Das angegriffene Gemeinschaftsgeschmacksmuster wurde so in seinem Schutzumfang auf einige wenige, nämlich die stets sichtbar bleibenden Elemente beschränkt. Dass der Widerspruch gegen die Eintragung dennoch ohne Erfolg blieb, hängt mit der konsequenten Anwendung dieser Grundsätze auch auf die Gestaltung des entgegengehaltenen Musters zusammen. Denn auch bei diesem bezog das EuG lediglich die sichtbaren Teile in die Betrachtung mit ein – und insoweit konnte es keine Übereinstimmung in der Gestaltung erkennen, die die Neuheit des angegriffenen Musters in Frage gestellt hätte.
Die Entscheidung mag man kritisieren, weil sie die ohnehin vielfach als zu unbestimmt angegriffenen Schutzvoraussetzungen für Bauteile komplexer Erzeugnisse in ihrem Anwendungsbereich noch weiter ausdehnt. Dennoch werden Anmelder vorerst mit dieser Rechtslage leben müssen. Es empfiehlt sich daher dringend, vor einer Anmeldung die Schutzfähigkeit solcher Bauteile überprüfen zu lassen. Ansonsten wird die – ungeprüfte – Eintragung dem Anmelder bei der späteren Durchsetzung seiner Rechte gegen Nachahmer unter Umständen nicht sehr hilfreich sein können.