Datenschutzrecht: Freie Hand für Scoring-Unternehmen?

Scoring-Berechnungen wie die berühmt-berüchtigte SCHUFA-Auskunft sind für das Funktionieren der Wirtschaft ein wichtiges, ja unerlässliches Mittel, um die Kreditwürdigkeit ihrer Vertragspartner einschätzen zu können. Nichtsdestotrotz bleibt ein Unbehagen zurück, vergegenwärtigt man sich die für die Betroffenen schlicht undurchschaubare Berechnung dieses eminent wichtigen personenbezogenen Datums. Ein Konflikt, den die Rechtsprechung zuletzt immer wieder zugunsten der Scoring-Wirtschaft auflöste (so auch OLG München, Urteil vom 12.03.2014 – 15 U 2395/13).

Geklagt hatte eine Frau, die sich zum einen dadurch benachteiligt sah, dass ein Scoring-Unternehmen überhaupt geschlechtsbezogene Bewertungen vornehme. Noch entscheidender aber: Sie verlangte von dem Scoring-Unternehmen, dass ihre tatsächlichen Vermögensverhältnisse Eingang in die Berechnung fänden. Denn diese seien deutlich besser, als es der von dem Scoring-Unternehmen veröffentlichte Score-Wert vermuten lasse.

Das Scoring-Unternehmen verteidigte sich vor allem mit der Argumentation, dass geschlechtsspezifische Angaben nur insoweit berücksichtigt würden, als diese durch mathematisch-statistisch belegte Unterschiede begründet seien. Hinsichtlich der nicht in die Bewertung einfließenden Vermögensverhältnisse argumentierte das Scoring-Unternehmen damit, dass das Scoring-Verfahren ausschließlich aufgrund mathematisch-statistischer Verfahren durchgeführt werde und auch werden müsse. Es könnten also nicht für einzelne Personen Daten berücksichtigt werden, die bei sonstigen Personen derselben Vergleichsgruppe nicht in die Bewertung einflössen. Im Übrigen stelle der Score-Wert selbstverständlich nur einen Ausschnitt aus dem kreditrelevanten Profil des Betroffenen dar, der keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit erhebe.

Das Gericht gab dem Scoring-Unternehmen – mit sehr ausführlicher Begründung – in vollem Umfange Recht. § 28b BDSG, der das Scoring regelt, verlange nicht, dass zum Zwecke der Ermittlung der Kreditwürdigkeit alle relevanten Daten berücksichtigt würden. Weder generell noch im konkreten Einzelfall bestehe hierauf ein Anspruch gegenüber dem Scoring-Unternehmen. Dies gälte insbesondere dann, wenn – wie hier – das Scoring-Unternehmen auch gegenüber seinen Kunden erkläre, dass Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse nicht berücksichtigt worden seien. Die einmalige Berücksichtigung solcher Daten im Falle der Klägerin würde hier die Vergleichbarkeit der Datensätze aufheben und genügte damit nicht mehr den Vorgaben an ein mathematisch-statistisches Verfahren.

Die Berücksichtigung des Geschlechts sei ebenfalls ohne Weiteres zulässig, wenn und soweit es tatsächlich mathematisch-statistische Unterschiede zwischen den Geschlechtern gebe. Eine generelle Benachteiligung von Frauen sei dabei nicht zu erwarten.

Das Urteil zeigt einmal mehr die Schwächen der gesetzlichen Regelung und der Auslegung durch die Gerichte. Diese Auslegung verkennt nach wie vor die überragende Bedeutung der Scoring-Werte gerade im Hinblick auf Massengeschäfte des täglichen Lebens. Welcher Handyanbieter, welcher Versandhändler macht sich wohl die Mühe, neben einem Score-Wert noch persönliche Auskünfte zu den individuellen Vermögens- und Einkommensverhältnissen einzuholen? Dass der einzelne Betroffene nicht einmal einen Anspruch darauf hat, dass ihm die Berechnung seines Score-Werts im einzelnen erläutert wird, ist sogar höchstrichterlich entschieden (BGH, Urteil vom 28.01.2014 – VI ZR 156/13).

Danach bleibt der einzelne Betroffene der Scoring-Industrie mehr oder minder hilflos ausgeliefert – ein aus datenschutzrechtlicher Sicht untragbarer Zustand, den nur der Gesetzgeber wird korrigieren können. Das wohlverstandene Interesse der Wirtschaft an kreditrelevanten Informationen muss dabei in ein gesundes Verhältnis gesetzt werden zu dem Interesse der Betroffenen an einer zumindest korrekten, will sagen vollständigen Berücksichtigung der relevanten Informationen.

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