Agile Programmiermethodiken bieten große Vorteile im Hinblick auf Transparenz und Flexibilität der Softwareerstellung. Im Streitfall hinsichtlich einzelner Sprints können sich aber für die IT-Unternehmen auch Tücken ergeben, die sich nur durch sattelfeste Verträge händeln lassen. Dies zeigt eindrucksvoll ein Urteil des LG Frankfurt/Main (Urteil vom 29.10.2013 – 11 U 47/13).
Im konkreten Fall ging es um ein groß angelegtes Softwareprojekt, bei dem agil programmiert wurde. Insgesamt wickelten die Parteien 105 Sprints ab, von denen allein die streitigen zwei einen Umfang von rund 2 Millionen Euro hatten. Dennoch fehlte es an einem schriftlich fixierten Vertrag, der die Übertragung von Nutzungsrechten an der erstellten Software geregelt hätte.
Zwischen den Vertragsparteien kam es zum Streit über die Bezahlung einzelner Sprints, weswegen die spätere Klägerin bezüglich der in zwei Sprints erstellten Software einen urheberrechtlichen Unterlassungsanspruch geltend machte. Beide Sprints waren zuvor abgearbeitet, die Software am Ende von der Beklagten abgenommen und ihr gegen Zahlung der vereinbarten Vergütung auch freigeschaltet worden.
Das LG Frankfurt wies den Antrag (es handelte sich um ein einstweiliges Verfügungsverfahren) nun aus zwei Gründen ab:
Zum einen – und das dürfte ein Problem sein, das sich im Rahmen agiler Programmierung kaum je zu 100 % ausschließen lässt – war das Gericht der Auffassung, es hätte weiterer Darlegung zu der Frage bedurft, ob die einzelnen Softwarekomponenten für sich überhaupt Urheberrechtsschutz genössen. Normalerweise gilt für komplexe Computerprogramme eine Vermutung dafür, dass diese die notwendige Schöpfungshöhe erreichen. Das, so das Gericht, gelte aber nicht notwendig für die jeweiligen Einzelbestandteile, also für die Ergebnisse der jeweiligen Sprints. Hier ist nur zu raten, die Sprints jeweils sorgfältig zu dokumentieren, um im Streitfall ausreichend vortragen zu können, dass und warum die Software für einen einzelnen Sprint urheberrechtsfähig ist.
Zum anderen meinte das Gericht, dass ohnehin sämtliche Nutzungsrechte wirksam und unwiderruflich auf die Beklagte übergegangen seien. Denn mangels vertraglicher Vereinbarung würden im Zweifel bei der Programmierung von Individualsoftware sämtliche Rechte an den jeweiligen Auftraggeber übergehen. Dies sei konkludent durch Abnahme, Freischaltung und Bezahlung geschehen.
Hier zeigt sich einmal mehr ein Problem, das immer dann entsteht, wenn Software individuell angepasst oder erstellt wird, ohne dass eine hinreichende Vereinbarung hinsichtlich der Nutzungsrechte besteht. Will nämlich das Softwareunternehmen – wie so oft – die individuell erstellten Teile später einmal in den Standard des eigenen Produkts übernehmen, steht dem im Zweifel – und dieser Zweifel greift eben immer dann ein, wenn kein anderslautender Vertrag besteht – die vollständige Übertragung der Nutzungsrechte an der Software an den ersten Auftraggeber entgegen. Folge: Die weiteren Rechteübertragungen an dem neuen Standard sind sämtlich rechtsmängelbehaftet, und es drohen Gewährleistungs-, insb. Schadensersatzansprüche von allen Kunden.
Für die Übertragung lediglich einfacher Nutzungsrechte im Rahmen von Individualprogrammierungen bieten sich eine Reihe verschiedener Möglichkeiten der Kompensation des ersten Auftraggebers an. So kann eine Art Wettbewerbsverbot für einen bestimmten Zeitraum vereinbart werden, welche dem Auftraggeber einen Vorteil vor bestimmtem Konkurrenten sichert. Oder der Auftraggeber wird über sog. Pay-Back-Klauseln am späteren Umsatz mit der neuen Standardversion der Software beteiligt.
Keine Option ist es – das zeigt das Urteil des LG Frankfurt einmal mehr – die Übertragung der Nutzungsrechte ungeregelt zu lassen. Die Folgen können wie im dort entschiedenen Fall wirtschaftlich fatal sein.