Paukenschlag aus Luxemburg: Der EuGH hat entschieden, dass Internet-Accessprovider (also z.B. die Deutsche Telekom) dazu verpflichtet sind, urheberrechtswidrige Inhalte im Netz zu sperren (Urteil vom 27.03.2014 – C-314/12). Die Folgen des Richterspruchs sind noch nicht endgültig absehbar, das Urteil bedeutet jedoch einen empfindlichen Eingriff in die Freiheit des Netzes.
Gegenstand des Verfahrens waren – wieder einmal – die auf den Servern der Betreiber von kino.to gespeicherten, meistenteils urheberrechtswidrigen Filmkopien. Rechteinhaber aus Österreich hatten, weil die Anbieter für sie nur schwer ermittelbar und damit praktisch kaum zur Rechenschaft zu ziehen sind, direkt die Access-Provider in Anspruch genommen und von diesen technische Maßnahmen verlangt, welche den Zugriff auf die unter kino.to abrufbaren Inhalte verhindern. Die österreichischen Gerichte hatten die Entscheidung dann dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt.
Dieser entschied nun salopp gesagt, dass die Access-Provider sich zu Gehilfen der Anbieter rechtswidriger Inhalte im Netz machen, indem sie ihren Nutzern den Zugang zu den betreffenden Seiten ermöglichten. Damit wird der Begriff des Dienstleisters i.S.d. Art 8 Abs. 3 der Infosoc-Richtlinie erheblich – und m.E. entgegen deren Sinn und Zweck – ausgeweitet. Denn allenfalls dürfte derjenige Provider als Dienstleister des Anbieters der rechtswidrigen Inhalte anzusehen sein, den dieser nutzt, um die Inhalte im Internet hochzuladen. Diese Definition nunmehr auf jeden x-beliebigen Provider zu erstrecken, den ein Dritter zufällig nutzt, um Inhalte abzurufen, ist sehr bedenklich.
Konsequenz der Auffassung des EuGH ist es, dass ein Access-Provider von den Rechteinhabern nunmehr direkt in Anspruch genommen werden kann und den Zugang zu den rechtsverletzenden Inhalten im Rahmen des Zumutbaren unterbinden muss. Hierbei, so führt der Gerichtshof weiter aus, müssten effektive Maßnahmen ergriffen werden, die einerseits den Zugang zu den Inhalten wirksam unterbinden oder doch erheblich erschweren, die andererseits aber nicht dazu führen dürften, dass Internetnutzern der Zugang zu rechtmäßigen Inhalten verwehrt wird.
Wie das funktionieren soll, diese Antwort bleibt der EuGH leider schuldig. Es scheint denn auch die berühmte Quadratur des Kreises zu sein. Denn wie anders als durch eine praktisch kaum zu leistende Prüfung jeder einzelnen Rechtsverletzung soll ein Access-Provider – also ein technischer Dienstleister – denn sicherstellen, rechtswidrige Inhalte wirksam zu sperren und gleichzeitig unter keinen Umständen dabei den Zugang zu rechtmäßigen Inhalten zu blockieren? Unklar bleibt auch, ob in den möglichen Sperrmaßnahmen eines Access-Providers nicht notwendig ein Eingriff in das verfassungsrechtlich geschützte Fernmeldegeheimnis liegt mit der Folge, dass es einer – in Deutschland für diesen Fall aktuell nicht vorhandenen – gesetzlichen Ermächtigung für eine Sperrung bedürfte.
Gerade bei einem möglichen – und angesichts der Erfahrungen mit der Abmahntätigkeit von Film- und Musikverwertungsgesellschaften durchaus auch zu erwartenden – massenhaften Abmahnen von Access-Providern wird es praktisch unvermeidlich sein, dass in nicht unerheblichem Umfang Netzsperren errichtet werden. Ein Vorgehen, bei dem Streuverluste, also das Sperren rechtlich eigentlich unbedenklicher Inhalte kaum zu vermeiden sein werden.
Für die Rechteinhaber, die – um das ausdrücklich klarzustellen – natürlich nach geltendem Recht einen Anspruch darauf haben, dass urheberrechtswidrige Film- oder Musikkopien aus dem Netz entfernt werden, bringt das Urteil eine enorme Erleichterung. Anstatt mühsam gegen die Anbieter vorgehen zu müssen, die nicht ohne Grund in Übersee ihre Server betreiben, reicht künftig ein einfaches Schreiben an die deutschen Access-Provider aus. Dies dürften zwar letztlich einige hundert Anbieter sein – dennoch ist hier angesichts des automatisierten Abmahnverfahrens in diesem Bereich von einer baldigen Anpassung der Prozesse auszugehen.
Bei allem Aufwand für die Access-Provider bleibt dennoch am Ende auch fraglich, wie effektiv eine solche Maßnahme, nämlich eine Sperrung bestimmter Inhalte sein kann. Denn die Inhalte blieben ja nach wie vor im Internet abrufbar, nur eben nicht über einen bestimmten Zugangsdienst. Hier genügen relativ einfache technische Verfahren, um zur Not über das Ausland dennoch einen Zugang zu den Servern zu erhalten.
Damit bleibt festzuhalten, dass der EuGH mit dem Ziel des Urheberrechtsschutzes den Access-Providern erhebliche Prüfpflichten und Rechtsrisiken aufbürdet, welche für den Normalnutzer im Ergebnis zu einer Einschränkung der Freiheit des Netzes auch betreffend urheberrechtlich unbedenklicher Inhalte führen dürfte. Gleichzeitig dürfte klar sein, dass wer über den notwendigen technischen Sachverstand verfügt, ohne Weiteres auch weiterhin die urheberrechtswidrigen Inhalte nutzen kann.
Ein wenig effektives Instrumentarium also, mit dem jedoch die Tür aufgestoßen wird zu einer Reglementierung des Netzzugangs. Denn es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis auch andere rechtswidrige Inhalte auf gleiche Art und Weise behandelt werden müssen.