Die einstweilige Verfügung ist im gewerblichen Rechtsschutz das Mittel der Wahl, um schnell eine zumindest vorläufige Regelung bezüglich des beanstandeten Verstoßes zu erreichen. In Wettbewerbssachen wird dabei die für solche gerichtlichen Eilverfahren erforderliche Dringlichkeit vermutet, § 12 Abs. 2 UWG. Diese Vermutung ist allerdings widerlegt, wenn der Antragsteller mit dem Wettbewerbsverstoß konkret rechnen musste, aber zunächst untätig geblieben ist. Das entschied das OLG Frankfurt (Urteil vom 17.01.2013 – 6 U 88/12).
Im konkreten Fall hatten die Beteiligten über ihre Anwälte bereits außergerichtlich umfangreichen Schriftwechsel geführt. Darin war eindeutig die unterschiedliche Einschätzung der Rechtslage zum Ausdruck gekommen. Einigungsversuche waren gescheitert. Sodann drohte die spätere Antragsgegnerin mit einem ultimativen Schreiben an, sie werde ohne weitere Ankündigung Abmahnungen aussprechen, sollte das von ihr beanstandete Verhalten künftig fortgesetzt werden.
Hierauf reagierte die spätere Antragstellerin nicht und setzte auch das von ihr als nicht rechtswidrig erachtete Verhalten fort (hier: die Verwendung einer von ihr als rein beschreibend angesehenen, der Antragsgegnerin gehörenden Marke). Daraufhin sprach die Antragsgegnerin wie angekündigt einige Zeit später eine Abmahnung aus.
Gegen diese – aus ihrer Sicht unberechtigte – Abmahnung wollte sich die Antragsgegnerin nun wehren und beantragte den Erlass einer einstweiligen Verfügung. Das OLG Frankfurt lehnte den Antrag in zweiter Instanz ab, weil die Dringlichkeitsvermutung widerlegt sei.
Denn die Antragstellerin habe nach der ultimativen Ankündigung der Antragsgegnerin davon ausgehen müssen, dass diese tatsächlich handeln werde. Das Schreiben habe also die sog. Erstbegehungsgefahr begründet. Etwas anderes folge auch nicht daraus, dass die Antragsgegnerin ihrer bereits zuvor ausgesprochenen Ankündigung, ein Gericht anzurufen, keine Taten habe folgen lassen. Dass die Antragstellerin auf dieses letzte Schreiben nicht geantwortet habe und auch keinen gerichtlichen Rechtsschutz dagegen suchte, widerlege die Dringlichkeit.
Die tatsächliche Abmahnung begründe gegenüber deren unmissverständlicher Ankündigung keine andere Qualität, die eine neue Dringlichkeitsvermutung auslösen würde. Denn hierin realisiere sich eben nur die bereits zuvor konkret drohende Gefahr einer rechtsmissbräuchlichen Abmahnung.
Die Entscheidung ist nachvollziehbar und im Einzelfall auch interessengerecht. Allerdings beseitigt sie ein grundsätzliches Problem des Eilrechtsschutzes nicht: In Grenzfällen wird es oftmals schwierig sein zu erkennen, ob bereits eine Erstbegehungsgefahr für einen Wettbewerbsverstoß vorliegt. Fehlt diese wird ein bewusst frühzeitig eingelegter Antrag mangels Verfügungsanspruchs zurückgewiesen werden. Wird der Antrag aus Gründen der Vorsicht erst bei einem wirklich eindeutigen Verstoß gestellt, läuft der Antragsteller Gefahr, dass das Gericht die mangelnde Dringlichkeit der Sache bemängelt.