Rechtsfolgen von Mängeln
Vor der Abnahme hat der Kunde einen Anspruch auf Herstellung des Werkes. Erfolgt die Herstellung nicht fristgerecht, kann der Kunde Rechte nach §§ 288, 323 BGB geltend machen. Er kann also mit Fristsetzung und Ablehnungsandrohungen die Herstellung eines mangelfreien Werkes verlangen. Von besonderer Bedeutung ist in diesem Kontext die Regelung des § 271, nach deren Inhalt dann, wenn keine Fristen für die Herstellung vereinbart sind, noch aus den Umständen ersichtlich sind der Kunde jederzeit die Herstellung des Werkes verlangen kann. Man sollte also tunlichst darauf achten, dass die Fertigstellungstermine (Milestones) im Projektplan festgehalten werden oder zumindest so umschrieben werden, dass ein verständiger Dritter erkennen kann, welche Fristen gelten sollten. Wird das Werk nicht rechtzeitig hergestellt, hat der Kunde das Recht, vom Vertrag zurückzutreten und Schadensersatz zu verlangen.
Fristsetzung durch den Kunden
Nach der alten Rechtsprechung aus den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts galt, dass es ausreichte, wenn der Kunde den Auftragnehmer zur Fertigstellung des Werkes aufforderte. Der BGH ließ es ausreichen, wenn der Kunde einige Mängel beispielhaft anführte, aus den sich die Mängel der Abnahmefähigkeit des Werkes ergab, im Übrigen aber schlicht darauf verwies, dass der Anbieter die Herstellung eines mangelfreien Werkes schuldete. Diese Rechtsprechung ist zu Recht kritisiert wurden, da der Kunde auf die Art und Weise ein Instrument in den Händen hält, mittels dessen er den Anbieter immer wieder dazu auffordern kann, neue fehlende Funktionalitäten und Eigenschaften der Software als Mängel zu reklamieren und ihn so durch die Instrumente der Erklärung des Rücktritts bzw. der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen zu Leistung animieren zu können, die ihm eigentlich nicht zustehen. Der BGB hat dann im Jahre 2010 die entsprechende Rechtsprechung auch teilweise geändert und verlangt nun eine Darlegung der fehlenden Funktionalitäten in der Fristsetzung. Die Entscheidung des BGHs aus dem Jahre 2010 ist aber insofern nicht eindeutig, als eine substantiierte Mängelrüge nach wie vor nicht vom BGH verlangt wird. Nach Ansicht der Literatur soll es ausreichen, wenn der Anbieter ungefähr weiß, welche Mängel er zu beseitigen hat. Eine Klärung dieser in der Literatur und Rechtsprechung umstrittenen Frage durch den BGH steht aus. Der Auftraggeber muss zumindest eine phänomenologische Beschreibung des Mangels abgeben, die es dem Auftragnehmer ermöglicht zu entscheiden, ob ein Bedienungsfehler, ein Change oder tatsächlich ein Mangel vorliegt. Dem Kunden ist allerdings zu empfehlen, den Mangel so genau wie möglich zu beschreiben. Schlecht beschriebene Mängel sind noch schlechter als keine beschriebenen Mängel. Denn jede schlechte Beschreibung kann den Anbieter in die Irre führen. Treten die Mängel nur periodisch auf, sollte der Kunde eine Dokumentation über die Mängel erstellen. Ich denke, dass es sich von selbst ergibt, dass die Mitarbeit des Kunden hier dazu hilft, den Mangel zu beseitigen. Natürlich kann sich der Kunde darüber ärgern, dass seine Zeit so unnötig aufgewendet wird. Aber: Je detaillierter und besser eine Fehlerbeschreibung ist, desto eher wird der Anbieter in der Lage sein, den Mangel zu beheben. Kann der Anbieter nicht erkennen, ob es sich um ein Mangel, ein Change oder ein Bedienungsfehler handelt oder worin der Mangel genau besteht, muss er nachfragen. Es funktioniert nicht, den Kunden mit den Mangel allein zu lassen und sich darauf zu berufen, dass die Mängelbeschreibung schlicht mangelhaft war. Tauchen die Probleme periodisch erneut auf, hilft die Rechtsprechung des BGHs, nach deren Inhalt fälschlich gemeldete Mängel zu einem Schadensersatzanspruch des Anbieters führen können. Voraussetzung für die Begründung des Schadensersatzanspruchs ist immer, dass der Kunde die falsche Fehlermeldung zu vertreten hat, mithin also fahrlässig handelte, als er die Fehlerbeschreibung so ungenau oder unpräzise abgab, dass der Anbieter nicht erkennen konnte, was eigentlich beschädigt sein sollte.
Intermezzo für Juristen
Es ist noch daraufhin zuweisen, dass im Werkvertragsrecht über § 381 Abs. 2 HGB und der § 377 HGB nur Anwendung findet, wenn der § 651 BGB erfüllt ist. Zum § 651 BGB werden mittlerweile Monographien geführt. Meine eigene Erfahrung aus mehr als fünf Prozessesen im Jahre 2013 besagt, dass die Gerichte jedenfalls erstinstanzlich den Streit um § 651 BGB ignorieren und beinahe immer zur Anwendung von Werkvertragsrecht kommen. Dies aber nur für die Insider.
Nacherfüllungsansprüche
Der Anspruch auf Nacherfüllung gem. § 634 BGB kann durch den Anbieter in jeder ihm adäquat erscheinenden Form erfüllt werden. Die Nacherfüllung verweigern kann der Anbieter dann, wenn die Kosten der Nacherfüllung unverhältnismäßig hoch sind. Da das Recht zur Verweigerung der Nacherfüllung nur in seltenen Fällen besteht, kann ich aus der Praxis heraus nur anraten mit dem Kunden eine vertragliche Grenze zu vereinbaren, ab deren erreich die Nacherfüllung unverhältnismäßig ist. Die gesetzliche Messlatte liegt sehr hoch.
Länge der Nachfrist
Die Fristen zur Nacherfüllung müssen in der IT langbemessen sein. Zu kurz gesetzte Fristen lösen nur angemessene Fristen in Lauf. Es ist überflüssig der Frist eine Ablehnungsandrohung zuzufügen. Es wird aber von der Rechtsprechung gerne gesehen, wenn der Kunde unmissverständlich klar macht, dass er mit einer Nacherfüllung nach Ablauf der gesetzten Fristen nicht einverstanden ist. Die Anzahl der Nachbesserungsversuche wird von der Literatur (siehe auch Redeker, D, RZ 293 ff.) immer wieder problematisiert. Nach meiner Ansicht kommt es nicht auf die Anzahl der Nachbesserungsversuche selbst an, sondern darauf, dass die Probleme binnen angemessener Frist behoben werden. Nicht umsonst arbeitet die Mehrheit der Anbieter mit Fehlerreaktions-SLAs, die nicht auf die Anzahl der Nachbesserungsversuche, sondern auf die Zeitspanne abstellen, die vergehen darf, bis zu dem Zeitpunkt in dem der Anbieter mit der Fehlerbehebung beginnt.