Wir haben mal wieder einige schwierige Fälle auf dem Tisch, die ich nachfolgend in Fallbeispielen beschreiben möchte.
Abstrakt geht es darum, dass die IT Unternehmen versuchen, den Kunden mit bestimmten Vergütungsmodellen zu locken. Die Kosten für die Vergütung der Leistungen aus die Einführungsphase (Projekt/ Onboarding/ Schulung/ Konfiguration) sollen von dem Kunden nicht sofort komplett bezahlt werden müssen. Anstelle dessen werden Kosten für die Einführungsphase auf die monatlichen Raten für den gleichzeitig abzuschließenden Vertrag über den Betrieb umgelegt. Beispiel: Der Kunde bekommt keine gesonderte Rechnung für die Einführung des Systems, dafür werden die Raten für den Mietvertrag teuerer und dessen Laufzeit länger.
Dabei tauchen aber Probleme auf. Zusammenfassend kann man sagen, dass gegen den Spruch „Was man hat, hat man“ kein juristisches Kraut gewachsen ist. Ich beschreibe in dem Teil I die Probleme und gebe im Teil II Lösungsvorschläge.
Fallgestaltung (1): Der Kunde K beauftragt das IT Unternehmen B mit der Einführung von Software. Diese Software soll per SaaS 36 Monate lang betrieben werden, muss aber zuvor noch 4 Tage konfiguriert werden. Zuerst kommt ein Workshop und dann sollen die Konfigurationen wie vereinbart umgesetzt werden. Um dem K das Angebot schmackhaft zu machen, bietet B dem K an, die Vergütung für die Durchführung des Workshops und der Konfiguration auf „0“ zu setzen, dafür aber einen Mietvertrag mit einem höheren Mietzins und einer Mindestlaufzeit von 36 Monate abzuschließen. So soll die Liquidität des Kunden geschont werden.
Fallgestaltung (2): Beinahe wie 1, nur wird hier kein Miet, sondern ein Projektvertrag und ein Softwarepflegevertrag abgeschlossen.
Der Vertrieb versucht nicht so selten, Kunden zu gewinnen, indem die Vergütung für die Dienstleistungen der IT aus der Einführungsphase (Onboarding/ Projekt) in Teilen oder zur insgesamt quotal über die gesamte Laufzeit des Betriebsvertrags umgelegt werden sollen.
Das funktioniert gut, wenn der Kunde solvent bleibt und die einzelnen Raten aus der Betriebsphase bezahlt. Falls der Kunde aber nicht zahlt oder den Vertrag vor Ablauf kündigt, entstehen vermeidbare Probleme.
Fallgestaltung (1)
Dienstleistungen Einführung – Mietvertrag
a.) Kunde zahlt nicht
b.) oder es wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Unternehmens des Kunden eröffnet.
a.) Sofern der Kunde schlicht nicht zahlt, rennt man dem Geld hinterher. Solange der Mietvertrag nicht gekündigt ist und der Kunde nicht berechtigt den Mietzins mindert, ist das ärgerlich, weil die Vergütung des IT Unternehmens nun teilweise für die Rechtsverfolgung eingesetzt werden muss.
b.) Geht das Unternehmen des K in die Insolvenz, so hat der Insolvenzverwalter ein nicht disponibles Wahlrecht darüber zu bestimmen, ob der Vertrag weiter fortgesetzt werden soll. Kündigt er den Vertrag, dann hat meinen keinen Anspruch auf die weiteren Mietzahlungen. Es gäbe jetzt natürlich noch die Möglichkeit in dem Vertragstext zu regeln, dass dann wenn der Kunde mit seinen Mietraten mehr als 2 Raten in Verzug gerät, auch die für die Einführungsphase fällige Vergütung fällig wird. Aber auch die müsste der Insolvenzverwalter nur als ungesicherte Forderung der nicht bevorzugten Forderungen erfüllen; man bekommt also nur sehr wenig Geld.
Fallgestaltung (2)
Dienstleistungen Einführung – Softwarepflegevertrag
a.) Kunde zahlt nicht
b.) oder es wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Unternehmens des Kunden eröffnet.
c.) oder der Kunde kündigt vor Ablauf der Mindestlaufzeit ordentlich.
Die Fallgestaltungen a.) und b.) gleichen denen der Fallgestaltung (1)
c.) Auch die Fallgestaltung c.) ist unschön. Der BGH qualifiziert Dauerschuldverhältnisse, in denen der Unternehmer Dienstleistungen erbringt, damit ein bestimmter Erfolg eintritt, als Werkverträge (Die Entscheidungen heißen „Internetsystemvertrag“).
Werkverträge können durch den Kunden jederzeit nach § 648 BGB ordentlich gekündigt werden. Ob die Vereinbarung einer Mindestlaufzeit bewirkt, dass der § 648 BGB nicht anwendbar ist, ist unklar. Die Anwendung des Werkvertragsrechts auf Dauerschuldverhältnisse hat ungeahnte Schwierigkeiten hervorgerufen.
Sofern man annimmt, dass der § 648 BGB sich nicht einfach abbedingen lässt – jeder Werkvertrag wird für eine im Projektplan beschriebene Zeitspanne abgeschlossen und kann trotzdem nach einhelliger Meinung schon vor der Abnahme gekündigt werden – sieht man hier die dritte Schwierigkeit für das IT Unternehmen.
Fallgestaltung (3)
Wie Fallgestaltung zu Fall 1.
Der Vertriebsleiter des B hat zähneknirschend auf die hier geschilderten Ratschläge des Anwalts gehört und hat jetzt noch eine tolle Idee. Damit die Gefahr eines Zahlungsausfalls geringer wird, möchte er zwar auf die sofortige Zahlung der Vergütung für die Einführungsphase verzichten; der Kunde soll aber jetzt die 36 Monate für die Miete im Voraus zahlen. Der Vertrag sieht diese Vorauszahlung als AGB vor. Der Vertrag wird abgeschlossen, die Software konfiguriert, der Betrieb läuft und nun zahlt der Kunde nicht. Er sagt nicht, warum.
Wie ist die Rechtslage jetzt? Der Anwalt wird beauftragt mit der Einziehung der 36 Monate. Und sagt, dass ist schwierig…
Es stellt sich die Frage nach der AGB Festigkeit der Vereinbarung, mit der der Kunde dazu verpflichtet wird, eine so lange Zeitspanne im Voraus zu zahlen. Die Juristen sagen, dass mit einer Vorauszahlung immer die Gefahr einhergeht, dass der Lieferant die Rechte der Kunden auf die Erhebung von Einreden/ Einwendungen unzulässig beschneidet (das Recht der Minderung ist praktisch wertlos, wenn man im Voraus gezahlt hat) und zudem auch bei Vorauszahlungen von mehr als 3 Monaten ohne sachlichen Grund die Gefahr besteht, dass die Vorauszahlung vermutlich nicht insolvenzfest ist.
Die Gefahr ist also groß, dass formularmäßig diktierte (also per AGB erfolgte) Vorauszahlungspflicht von mehr als 3 Monaten vor Gericht keinen Bestand hat.
Das bedeutet jetzt nicht, dass das IT Unternehmen die Miete nicht erhält, der Vertrag ist ja abgeschlossen. Nur ist es deutlich gesprochen eine wackelige Angelegenheit, die Forderung über die 36 Monate auf einmal geltend zu machen.