Es gibt Entscheidungen wie die des OLG München (20U 3226/22e) aus dem Jahr 2022, die den Vertrieb vor Anforderungen stellen. Dieser Fall ist lehrreich, weil er zeigt, dass man dem Kunden nicht etwa ein Produkt anbieten kann und das vom Kunden gegebene Anforderungsprofil beseite lassen kann, wenn man eine Software für längere Zeit vermietet.
I. Sachverhalt
Es klagte ein IT Unternehmen auf Zahlung ausstehender Lizenzgebühren für die Überlassung einer SaaS Lösung und auf die Zahlung von Dienstleistungen für die Installation von Clientsoftware. Der Kunde fand die Software unbrauchbar für die Erfüllung seiner Anforderungen, kündigte den Vertrag und zahlte die Lizenzgebühren und die Kosten der Installation nicht. Das IT Unternehmen klagte. Die Vorinstanz – das LG Landshut – wie auch das Berufungsgericht wiesen die Klage des IT Unternehmens ab. Es sei dem IT Unternehmen klar erkennbar gewesen, dass die dokumentierten Anforderungen des Kunden mit der Standardsoftware nicht vernünftig erfüllt werden könnten. Unerheblich sei, dass man die Software in gesonderten Verträgen hätte fortentwickeln können. Der Kunde sei nicht in der Lage gewesen, diese Abweichung zu erkennen. Installationskosten und andere Aufwände, die getätigt wurden, damit die Software eingesetzt werden könne, seien als Leistungen aus einem einheitlichen Vertrag zu bewerten.
II. Bedeutung des Verfahrens
Aus ganz eigener Erfahrung, weiß ich dass viele Auftraggeber diese Entscheidung zitieren werden, wenn sie mit gemieteten Software unzufrieden sind. Man kann sich jetzt hinstellen und fragen, was kann das IT Unternehmen dafür, wenn sich der Kunde verkauft hat, mangelhaft informiert hat? Die Gerichte neigen aber dazu, unter den Mietrechts darauf abzustellen, ob der Kunde mit der Software den Zweck erreichen kann, den der Kunde mit dem Zweck verfolgt. Der in dem Verfahren eingeschaltete Sachverständige sagte aus, dass sich die Software nicht wirtschaftlich sinnvoll für den von der Kundin verfolgten Zweck einsetzen lasse und dass auch der Anpassungsaufwand in keinem wirtschaftlich sinnvollem Verhältnis stünde.
III. Qualifikation des SaaS Vertrags als Mietvertrag
Man muss sich immer im klaren darüber sein, dass der Begriff SaaS in Deutschland eigentlich irreführend ist. Seit der BGH Entscheidung ( XII ZR I 12ß/04 CR 2007, 75) aus dem Jahr 2006 gilt, dass in Deutschland Verträge über die zeitlich begrenzte Überlassung von Nutzungsmöglichkeiten an Software als Mietverträge qualifiziert werden. Im § 548a BGB ist das jetzt noch einmal für digitale Produkte – dazu gehört auch Software – durch den Gesetzgeber bestätigt. Das ist eine Qualifikation, die im Bereich des BTB zu seltsamen Ergebnissen führen kann, weil man in Deutschland nicht einfach „Software as is“ für eine lange Zeit vermieten kann.
Die Vorinstanz war das LG Landshut und dessen Entscheidungsgründen kann man nicht alle Antworten entnehmen, die ich als Frage stellen würde. Das LG Landshut hat in seinen Entscheidungsgründen nicht auf das Bestehen / oder Nichtbestehen einer Bedienungsanleitung abgestellt.
Mangelgewährleistung
Aber der Begriff des Mangels stellt eben auf zwei Punkte ab. Erstens auf die Leistungsbeschreibung, die ja meistens mit der Bedienungsanleitung identisch ist und die die Funktionen wiedergibt. Und zweitens auf den Zweck, den der Mieter mit dem Abschluss des Vertrags verfolgt. Und hier hat das LG Landshut wie auch das OLG München nun auf der Basis des Sachverständigengutachtens erkannt, dass das IT Unternehmen sich nicht darauf verlassen kann und darf, dass der Kunde erkennen müsse ob eine Software dafür geeignet sei, den von ihm verfolgten Zweck zu erkennen. Das IT Unternehmen kenne seine eigene Software besser.
Zitat des LG Landshut:
„Insbesondere hat der Sachverständige anschaulich dargelegt, dass für das streitgegenständliche Auftragsverhältnis seitens der Klägerin die genauen
Anforderungen der Beklagten nicht geklärt und in einem Pflichtenheft niedergelegt waren und die Beklagte die Funktionalität und die funktionalen Grenzen der von der Klägerin angebotenen Software nicht durchschaut hat.
Diese tatsächlichen Feststellungen des Sachverständigen führen bei rechtlicher Bewertung dazu, dass die Klägerin als Anbieterin von Softwareleistungen der von ihr als unerfahren erkannten Beklagten eine Softwarelösung angeboten hat, die der Sachverständige im Ergänzungsgutachten aufgrund des zur manuellen Anpassung erforderlichen Aufwands ausdrücklich als wirtschaftlich unsinnig bezeichnet hat.„
Zitat Ende.
In der Grauzone zwischen dem Recht der Mängelgewährleistung und mangelnden Aufklärung (das Gericht stellt an anderer Stelle auf den § 311 BGB ab) hat das Gericht also dem IT Unternehmen die Pflicht auferlegt zu klären, ob sich der Kunde mit der Entscheidung für den langfristigen Abschluss eines Vertrags also „verkauft“ hat. Wie man das besser machen kann, ist klar: Eine gute Leistungsbeschreibung und ein Workshop mit einer Deltaanalyse.
Verbundene Installationskosten
Der dritte Punkt, aber auch der ist nicht spektakulär, ist die Entscheidung des Gerichts, die auf die Abweisung der Forderung des IT Unternehmens auf Erstattung der Kosten gerichtet ist, die als Einführungsaufwand für die Installation (der Clientsoftware) etc. Das Gericht sagt, der Vertrag über die Einführung der Software sei mit dem Betrieb der Software untrennbar verbunden und als Einheit anzusehen.