Softwarelizenzrecht: Qualifikation von Verträgen zur Erstellung und Anpassung von Software

In einer neueren Entscheidung hat der dritte Senat des BGH (III ZR 79/09) am 04.03.2010 entschieden, dass Verträge über die Erstellung einer Webpage regelmäßig als Werk- oder Werklieferungsvertrag anzusehen sind. Der BGH hat ausdrücklich darauf abgestellt, dass Verträge, die  „auf die Erstellung oder Bearbeitung einer speziellen, auf die Bedürfnisse des Auftraggebers abgestimmten Software gerichtet seien“  als Werk- oder Werklieferungsverträge zu qualifizieren sind.

Diese Rechtsprechung ist deswegen besonders zu beachten, weil der siebte Senat am 23.07.2009 und der zehnte Senat des BGH am 09.02.2010 übereinstimmend erkannt haben, dass gemäß § 651 Satz 1 BGB Kaufrecht auf die Verträge anzuwenden sei, die die Lieferung herzustellender oder zu erzeugender beweglicher Sachen zum Gegenstand hätten. Das würde also auch für Software gelten. Ich habe mich an anderer Stelle mit der Entscheidung vom 23.07.2009 ausführlich auseinander gesetzt.

Die meisten Verträge über die Erstellung von Software bzw. deren Anpassung im Wege von Customizing bzw. Parametrisierung sind Standardverträge, die nicht für jeden Vertrag neu angefertigt werden. Es sind AGB.

Standardverträge sind nach § 307 Abs. 2 Satz 1 BGB so auszugestalten, dass sie nicht wesentlich von den Entscheidungen des gesetzlichen Leitbildes des jeweiligen Vertragstyps abweichen dürfen. In nicht juristischen Worten ausgedrückt bedeutet, daß Standardverträge über Kaufvertrag nicht als Werkverträge ausgestaltet sein dürfen. Egal, welche Überschrift der Vertrag aufweist: Sofern die juristische Qualifikation eines Vertrags die eines Kaufvertrags ist, dürfen die Standverträge eben nicht von dem gesetzlichen Leitbild des Kaufvertrags im BGB wesentlichen abweichen. Eine solche wesentliche Abweichung besteht z.B. dann, wenn der Vertrag von Abnahme, Mitwirkungspflichten oder vorzeitigen Kündigungsrechten des Auftraggebers spricht, weil es diese Dinge im Kaufrecht einfach nicht gibt.

Sofern der BGH also Verträge über die Lieferung und Herstellung von Standardsoftware als Kaufvertrag qualifiziert, dürfen die Standardverträge nicht dem Werkvertragsrecht entsprechen. Anderenfalls sind sie unwirksam.

Der BGH hat für den Bereich des Maschinen- und Anlagebaus in zwei Entscheidungen vom 23.07.2009 und 09.02.2010 klar und deutlich formulieren, dass hier für die Lieferung beweglicher Sachen Kaufrecht anwendbar ist, auch wenn der Lieferung Planungs- und Anpassungsleistungen vorausgehen. Da Software vom BGH als bewegliche Sache qualifiziert wird, müssten diese Entscheidungen auch für den Bereich des Softwarevertriebs gelten.

Dem tritt der dritte Senat des BGH nun entgegen.Verträge, die „auf die Erstellung oder Bearbeitung einer speziellen, auf die Bedürfnisse des Auftraggebers abgestimmten Software gerichtet“ seien, unterfielen dem Werkvertragsrecht oder Werkliefervertrag.

Wie also ist weiter zu verfahren?

Die Entscheidung des BGH vom 04.03.2010 erzeugt keine abschließende Rechtssicherheit. Wann ist ein Vertrag genau auf die Erstellung oder Bearbeitung einer speziellen, auf die Bedürfnisse des Auftraggebers abgestimmten Software gerichtet? Es fehlt an Kriterien, die eine Zuordnung dieser Rechtsprechung auf die Bereiche des Customizing und der Parametrisierung zuließe. Klar dürfte sein, dass Verträge die auf die Erstellung von Individualsoftware gerichtet sind, einzig und allein dem Werkvertragsrecht zu unterstellen sind. Verträge, die dem Customizing oder der Parametrisierung zuzuordnen sind, werden wie § 651 Satz 3 BGB dem Kaufrecht zu unterstellen sein, wobei hier ergänzend werkvertraglich rechtliche Bestimmungen zu Anwendung gelangen. Sofern in dem Vertrag und in den leitenden Unterlagen sichergestellt wird, dass die Planungsleistung, die auf die Anpassung der Standartsoftware gerichtet sind, im Umfang von mindestens 50 % der vom Auftragnehmer zu erbringenden Leistungen umfassen, kann man den Vertrag insgesamt dem Werkvertragsrecht unterstellen. Warum dies wirtschaftlich sinnvoll und vernünftig ist, habe ich an anderer Stelle dargelegt. Mit dem Erlass der Entscheidung des BGH vom 04.03.2010 steht diese Ansicht auf einem vernünftigen Fundament.

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