FoSS: IT- Recht /FoSS/ Bearbeitungen und GPL2/ Nur wenn man es will: Die GPL2 in der Auslegung nach dem OLG Karlsruhe 6 U 60/20

Das OLG Karlsruhe hat eine Entscheidung zum Thema Copy Left erlassen. Danach tritt der Copy Left- Effekt an Derivaten von Software, die der GPL2 unterstehen, nur dann ein, wenn der Programmierer es will.

Die Entscheidung widerspricht meinem grundsätzlichen Verständnis der Open Source- Lizenz diametral und ist auch nicht schlüssig. Inhaltlich ging es um Folgendes: Der Kläger ließ für sich ein Theme von WordPress erstellen. WordPress unterliegt der GPL2. Die GPL2 ist ein Musterbeispiel für eine Open Source- Lizenz mit strengem Copy Left- Effekt. Sie besagt: Falls jemand die ursprüngliche, der GPL2 unterliegende Software bearbeitet, so unterfällt auch die bearbeitete Software wieder der GPL2. Und genau hier setzte der Streit an. Der Programmierer des Klägers verwendete jetzt eine Software der GPL2, aber unterstellte diese Software nicht (wieder)der GPL2, sondern der MIT. Die MIT ist eine freie Lizenz der Stufe 1, durch die kein Copyleft- Effekt eintritt. Der Kläger veröffentlichte den Quellcode der Bearbeitung (des Themes) nicht. Nun kommt der Beklagte ins Spiel. Der sah, dass das bearbeitete Theme auf der Software von WordPress basiert, der Quellcode des Themes aber nicht veröffentlicht wurde. Der Beklagte schrieb daraufhin an den Kläger sinngemäß: Entweder Du veröffentlichst jetzt den Quellcode des Themes auf Github oder wir machen das. Der Kläger wendete sich an eine Kanzlei, die den Beklagten abmahnte mit der Aufforderung, es bei Meidung einer Vertragsstrafe zu unterlassen, den Quellcode bei Github einzustellen und zu veröffentlichen.

Der Kläger gewann.

In dem ersten Punkt kann ich dem OLG Karlsruhe vielleicht noch folgen. Eine Verletzung der Regelungen der GPL2 kann nicht durch jeden gerichtlich verfolgt werden, sondern nur durch jemanden, der in seinen Rechten vielleicht verletzt ist (die Juristen sagen hierzu: Man braucht eine Aktivlegitimation, die eine Beschwer voraussetzt). Eine Verletzung von Umweltvorschriften kann nicht durch jeden vor den Gerichten eingeklagt werden, sondern nur durch die berechtigten Stellen. Allein zu erkennen, dass sich jemand nicht an die Regeln der GPL2 gehalten hat, bedeutet nicht, dass man eine solchen Regelverstoß auch vor den Gerichten anprangern kann. Für die Begründung der Aktivlegitimation hätte es m.E. aber ausgereicht, wenn der Beklagte geltend gemacht hätte, er würde gerne auf dem Theme des Klägers aufsetzen.

Der zweite Punkt aber ist gravierend: Nach Aussage des Gerichts muss der Programmierer, der eine Software bearbeitet/ aus einer Software erstellt, die der GPL2 unterfällt, aktiv dafür sorgen, dass die neu geschaffene Software auch wieder der GPL2 unterfällt. Das Gericht sieht in dem Text der GPL2 genau keine Automatik, denn in dem Text der GPL2 (und das stimmt auch) stünde „you must cause“, also man müsse aktiv dafür sorgen, dass die Software auch der GPL2 unterstellt werden, etwa in dem man den Source wieder veröffentlicht, den Lizenztext der GPL2 beifügt und dann schreibt, dass diese Software der GPL2 unterfällt. Das Gericht wörtlich: „Wie bereits ausgeführt, führt der Umstand, dass der Bearbeiter das bearbeitete Programm nicht unter GPL Bedingungen zur Verfügung stellt, nach den GPL- Bedingungen nur dazu, dass er die Nutzungsrechte an dem Ursprungsprogramm verliert. Ein Rechtsverstoß läge dann allein in einer etwaigen Weiternutzung des Ursprungsprogramms und der Bearbeitung, nicht jedoch in dem Ausschluss Dritter von der Nutzung.“

Das eine ist: Wenn das wirklich so sein soll, wäre der Gedanke des Open-Source ganz schnell tot, weil jeder Programmierer die von ihm erstellte Software seinem Arbeitgeber oder dem Kunden übergeben könnte und alles, was ehemals auf der Basis der GPL oder z.B. von Apache stünde, könnte er dann einfach selbst –unter Verstoß der originalen Lizenzen (!) – unter z.B. der, WTF, BSD oder MIT weitergeben und lizenzieren. Das zweite ist: Die Entscheidung zeigt, was geschieht, wenn ein US- amerikanischer Text von deutschen Juristen auf der Grundlage deutscher Auslegung interpretiert wird. Die Auslegung durch das Gericht ist sicher möglich. Nur: Wenn ich jetzt der Beklagte gewesen wäre, hätte ich einen Programmierer von WordPress gesucht, per Einstweiliger Verfügung dem ehemaligen Programmierer, der regelwidrig die Software unter der MIT lizenziert hätte, verboten jemals wieder WordPress-Codes anzurühren und die Staatsanwaltschaft beauftragt. Gleiches gilt übrigens auch für die Ansprüche gegen den Kläger. Die Durchsetzung der Ansprüche scheiterte hier bislang nur daran, dass nicht die richtigen Personen die Ansprüche geltend gemacht haben.

Dass das OLG Karlsruhe diese Möglichkeit überhaupt geöffnet hat, liegt an seiner mechanischen Auslegung der Texte der GPL2 durch das OLG Karlsruhe. Der Entscheidung fehlt schlicht die Folgenabschätzung.

 

 

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