Insbesondere Vertragsvorgaben von Auftraggebern beinhalten ein Konzept der Mischung von dienstvertraglichen und werkvertraglichen Elementen. Der wesentliche Unterschied zwischen dem reinen Dienstvertrag liegt darin, daß der Auftragnehmer nicht nur Arbeitsleistungen erbringt, sondern auch noch das Erfolgsrisiko übernimmt. Diese Übernahme des Erfolgsrisikos ist aber damit verbunden, daß der Auftragnehmer die Projektverantwortung (oder Projekthoheit) hat.
In der juristischen Literatur wird seit langem diskutiert, ob die vorwiegend für das Baurecht entwickelte Konzeption des Werkvertragsrechts im BGB überhaupt auf Projektverträge der IT passt. Die Ausprägung der Mitwirkungspflichten sei im IT- Recht völlig anders und das Erfordernis der Umsetzung von Changes passe nicht zu den Anforderungen des IT- Projektgeschäfts. Das mag alles sein, aber in der Praxis haben Auftraggeber häufig die Marktmacht, Regelungen durchzusetzen. Und die Gerichte gehen – obwohl das fachlich angegriffen werden kann – sehr schnell von der Anwendbarkeit von Werkvertragsrecht aus, wenn ein Erfolg geschuldet ist.
Es gibt neben der Erfolgshaftung aber eine weitere Stellschraube, die für die Frage der Anwendbarkeit des Werkvertragsrecht relevant ist und diese wird gerne übersehen: Die Projekthoheit.
Die Projekthoheit ist die Entscheidungsbefugnis darüber, wie gearbeitet wird (also, das „wer macht was mit welchen Mitteln“) und welche Punkte fachlich realisiert werden sollen. Bei der Betrachtung von Vertragsvorlagen von Auftraggebern fällt auf, daß die Elemente der Projekthoheit häufig aus dem Bereich Dienstvertrag oder Kooperation stammen, während die Haftungsregelungen dem Werkvertragsrecht entnommen werden.
Das entspricht auch häufig dem Wunsch des IT- Unternehmens. Man wolle „partnerschaftlich“ agieren, man wolle auf Augenhöhe arbeiten, etc. All dieses hat leider überhaupt nichts mit dem Werkvertragsrecht zu tun. Das Dienstvertragsrecht besagt, daß der Auftraggeber dem Auftragnehmer detaillierte fachliche Anweisungen geben kann. Ein Erfolg ist weder absehbar noch geschuldet. Das bedeutet, daß der Auftragnehmer den Auftraggeber bei der Ausführung unterstützt, die dem Auftraggeber obliegt. Im Werkvertragsrecht gibt der Auftraggeber dem Auftragnehmer fachliche Weisungen. Sind diese nicht konkret genug (wie häufig) oder benötigt der Auftraggeber Hilfe bei der Kokretisierung, muss der Auftragnehmer Support leisten. Aber seit den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts sagt der BGH: Das Pflichtenheft kommt vom Auftraggeber (!!!). Die technische Umsetzung der fachlichen Anforderungen, die Koordination der Zeitpläne bestimmt der Auftragnehmer. Und jedesmal (so in der grauen Theorie), wenn der Auftraggeber einen Change verlangt, müsste der Auftragnehmer das Recht haben, die Planung anzupassen. Kooperationen basieren auf der Annahme, daß sich mindestens zwei Parteien zusammentun und jede der anderen gegenüber bis auf Fälle der groben Fahrlässigkeit/ Vorsatz nicht haftet. Das Problem der Teilabnahmen im Baurecht kann das Werkvertragsrecht regeln, aber im Projektgeschäft sind solche Gestaltungen eher für Kooperationsverträge geläufig. Das Werkvertragsrecht kennt den Status, daß ein Haus fertig geplant ist und in vielen Stockwerken erstellt werden muss. Das ist der typische Anwendungsfall der Teilabnahmen. Was das Werkvertragsrecht eben nicht kennt – aber das Gesellschaftsrecht kennt- ist der Umstand, daß eine Entscheidung über das weitere Vorgehen erst nach einem Abschnitt I vollzogen wird, nachdem eine Analyse und Planung erfolgt sind. Das Werkvertragsrecht besagt, daß die Abnahme zu erfolgen hat, wenn der Auftrag wie vereinbart erfüllt wurde. Wird nach diesem Stadium ein weiterer Auftrag erteilt, ist der erste Auftrag nicht mehr kondizierbar. Wunderbarerweise lese ich aber immer wieder Verträge (Prototyping, agiler Fixpreis und sogar Scrum) in denen eine Gesamtabnahme für eine Leistung zu erfolgen hat, die zum Vertragsabschluss nur sehr vage und unzureichend beschrieben wird. Es passen viele Elemente einfach nicht zusammen.
Deshalb mein Ratschlag: Wenn Sie das Risiko der Erfüllung des Erfolgs einzugehen, muss die Arbeitsweise und der Prozess dem Werkvertragsrecht entsprechen.