IT-Recht: Vorausgesetzter Zweck BGH Entscheidung vom 20/3/2019

Warum ist diese Entscheidung wichtig? Häufig verlangen Kunden im Rahmen der Abnahmeprüfung oder kurz danach noch die Erstellung von Funktionen oder Prozessen, die nicht dokumentiert sind. Es geht häufig um das Thema: Ist das Fehlen einer Funktion ein Mangel (dann müsste die Funktion kostenlos nachprogrammiert werden) oder ist es ein Change, also ein kostenpflichtiger Nachtrag.

Der BGH hat in einer Entscheidung vom 20.3.2019 (VIII ZR 213/18) – es ging um den Verkauf einer Maschine, mit der Vogelfutter verpackt werden soll – entschieden, daß es nicht darauf ankommt, ob der Kunde bestimmte Qualitätsmerkmale als Vertragszweck empfinde, sondern darauf, sich die Sache objektiv für das Erreichen des Vertragszwecks eignet. In der Sprache meiner IT-ler also: Es kommt nicht darauf an, was der Kunde für sich individuell als entscheidend ansieht, sondern darauf, was für die Branche objektiv erforderlich ist. Die Kritik des Kunden ob des Fehlens von Funktionen ist unter dem Aspekt des Mangels also „nur“ dann stichhaltig, wenn das Fehlen der Funktionen objektiv dazu führt, daß die Software nicht für den Vertragszweck geeignet ist. Anders: Wie der Kunde konkret arbeitet ist weniger entscheidend als die Antwort auf die Frage, ob man überhaupt mit der Software arbeiten kann. Und diese Überlegung gibt dem IT Unternehmen sehr viel mehr Spielraum im Rahmen der Verhandlungen darüber, ob ein Mangel vorliegt oder ein Change beauftragt werden muss.

Der BGH sagt ausdrücklich, es komme nicht darauf an, ob der Käufer sich das Bestehen bestimmter Eigenschaften vorstellt, sondern darauf, ob sich die Sache für die für den Verkäufer erkennbare Verwendungsart eignet. Besondere Anforderungen, die in Lastenheft, Ausschreibung oder Präambel formuliert sind, sind erfüllt, wenn der Verkäufer davon ausgehen konnte, daß die Software sich für die Verwendungsart eignet. Die Entscheidung verbessert die Position des ITlers markant.

Das ist auch gerecht, weil letztlich nur der Kunde weiß, wie er die Software konkret am Arbeitsplatz einsetzen will. Selbst die Branchenkenntnis eines IT Unternehmens nützt nicht, wenn der Kunde bestimmte Anforderungen nicht formuliert. Ich kann nur immer wieder den Tipp geben, daß das Gesetz es zulässt, die Mangelhaftigkeit von Software in Verträgen so auszugestalten, daß nur a.) formulierte Funktionen und b.) diejenigen Funktionen, die zwar nicht dokumentiert sind, deren Vorhandensein aber aus technischen Gründen für die Verwendung der dokumentierten Funktionen erforderlich sind in einer Software vorhandensein müssen, damit der Funktionsumfang der Software nicht zum Streit führt. Die meisten Projekte scheitern, weil sich die Parteien über den Punkt streiten, der auch Gegenstand der BGH Entscheidung war. Man tut gut daran, dem Kunden klar und offensiv mitzuteilen, wie wichtig die Mitarbeit des Kunden in der Planungsphase ist.

 

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