Was bedeutet eigentlich „Obliegenheit“ des Kunden?

Abgrenzung der Obliegenheit zu Mitwirkungspflichten

Haben Sie das Wort schon einmal im Zusammenhang mit Ihrer Vertragsgestaltung gehört? Nein? Das ist grundsätzlich nicht so schlimm. Aber den Unterschied zwischen Obliegenheit und Vertragspflicht zu verstehen, hilft Ihnen, die sog. Mitwirkungspflicht des Kunden richtig einzuordnen. Denn in den meisten Fällen steht „Pflicht“ drauf, es ist aber nur eine „Obliegenheit“ drin.

Warum das so ist? Weil es bei uns Juristen nicht immer darauf ankommt, was im Vertrag steht, sondern wie es inhaltlich ausgestaltet werden muss.

I.       Obliegenheit

Eine Obliegenheit des Vertragspartners bedeutet, dass der Vertragspartner sich im Kontext des Vertrags entsprechend verhalten muss, damit er keinen Verlust oder eine Minderung seiner Rechtsposition erleidet. Mit anderen Worten: Wenn der Vertragspartner gewisse Verhaltensregeln nicht einhält, hat er eben Pech gehabt.

Am besten lässt sich das mit einer Versicherung erklären. Versäumt der Versicherungsnehmer die Mitteilung eines Vorschadens, erhält er eben keine Erstattung.

Die Verletzung einer Obliegenheit ihres Vertragspartners berechtigt Sie nicht dazu, Erfüllung oder ggf. einen Schadensersatz hieraus zu fordern. Es führt nur dazu, dass der Vertragspartner seine Rechte ggf. nicht durchsetzen kann.

II.     Mitwirkungspflicht

Handelt es sich bei der Mitwirkungspflicht um eine echte Pflicht des Kunden, haben Sie hier die Möglichkeit, die Erfüllung dieser Pflicht einzufordern. Mitwirkungspflichten sind somit Hauptleistungspflichten des Kunden. Er muss also nicht lediglich Ihre Rechnungen bezahlen, sondern muss tatsächlich auch etwas tun. Für viele Kunden ist das eine Selbstverständlichkeit. Aber nicht für alle.

III.    Problemstellung

In Projekten benötigen Sie unter Umständen die Mitwirkung des Kunden, da Sie andernfalls Ihre Leistungen nicht erbringen können (Zugang zu den Systemen des Kunden, Bereitstellung von Ressourcen und wichtigen Informationen, Testen von Zwischenergebnissen, etc.). Stellen Sie sich einmal vor, dass alles wäre lediglich eine Obliegenheit. Der Kunde kann Ihnen somit zwar nicht vorwerfen, dass Sie sich in Verzug befinden, denn ohne die Mitwirkung können Sie nicht weiterarbeiten. Aber wenn Sie den Kunden nicht auffordern können, seine Vertragsobliegenheiten zu erfüllen, warten Sie eben. Neue Projekte können Sie unter Umständen nicht beginnen, weil Sie das aktuelle Projekt nicht abschließen können. Immerhin kann der Kunde sich nicht auf Mängel oder Schlechtleistung berufen, wenn er Ihnen nicht die entsprechenden Informationen gegeben hat, obwohl Sie darum gebeten haben.

IV.   Was also tun?

1.     Vertragliche Regelung

Sie können Mitwirkungspflichten des Kunden vertraglich festlegen. Dazu müssen Sie für das jeweilige Projekt die Mitwirkungspflichten identifizieren. Wenn Sie z.B. einen Kunden bedienen, der in einer ganz speziellen Branche agiert, dann benötigen Sie ggf. Informationen zu besonderen Gegebenheiten (z.B. Lebensmittel, Waffen, Textilien, etc.)

Unterlässt der Kunde dann die vertraglich festgelegten Mitwirkungspflichten, haben Sie z.B. die Möglichkeit, Mehraufwände vergüten zu lassen oder sogar wegen Vertragsverletzung zurückzutreten.

Beachten Sie aber, dass Mitwirkungspflichten, die sich in AGB verstecken, in der Regel nicht zu Hauptleistungspflichten werden, sondern trotz Überschrift „Mitwirkungspflicht“ lediglich als Obliegenheit gewertet werden. Insbesondere, wenn es sich um Mitwirkungsleistungen handelt, die nicht zwangsläufig zur Vertragserfüllung erforderlich sind, wie z.B. das Zur Verfügung stellen eines speziellen Ansprechpartners oder ein dauerhafter Remote-Zugang (dies sind nur Bsp. und es kann sogar der Fall sein, dass diese Mitwirkungsleistungen sehr wohl erforderlich sind. Das ist aber einzelfallabhängig). Aus diesem Grund sollten Sie eine gesonderte, vertragliche Vereinbarung mit dem Kunden treffen, die dem Kunden auch vor Augen hält, dass er Sie bei dem Projekt unterstützen muss.

2.     Umsetzung

Haben Sie nun wirksam eine vertragliche Mitwirkungspflicht vereinbart, müssen Sie folgende Schritte berücksichtigen, um diese auch richtig durchzusetzen:

Fordern Sie den Kunden ganz speziell auf die jeweilige Mitwirkungspflicht auf.
Setzen Sie ihm eine Frist, bis wann er diese Mitwirkungspflicht erfüllen muss.
Teilen Sie ihm mit, was passiert, wenn er diese Mitwirkungsplicht nicht erfüllt (Verzögerung des Projekts um xx Wochen).
Sofern es sich um eine Pflicht handelt, die nicht bereits in einem Projektplan zeitlich festgelegt ist, sollten Sie im Falle der Nichterfüllung noch einmal eine Nachfrist setzen.

Wenn Sie weitere Fragen haben, kommen Sie gerne auf uns zu. Wir unterstützen Sie gerne.

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