Muss man Lizenzgebühren bezahlen, wenn man eine Software nutzt, die eine andere Software nutzt? Diese Frage wird vakant im Rahmen von pay per use Modellen von Softwareanbietern. Diese Anbieter geben an, faire Zahlungskonditionen zu haben. Man solle nur das zahlen, was man wolle. Der Haken: Manchmal wird die Software durch eine andere Software verwendet, ohne dass man Kenntnis von diesem Vorgang hat.
Die Bezeichnung des „zusätzlichen Werkgenusses“ stammt aus der Rechtsprechung und bezieht sich auf Fragestellungen, die im Zusammenhang mit dem Urheberschutz und der Vervielfältigung von Computerprogrammen stehen.
Rechtsprechung zum „zusätzlichen Werkgenuss“
Ob und wann eine Vervielfältigung eines Computerprogrammes vorliegt, hatte unter anderem das OLG Frankfurt in seiner Entscheidung vom 19.06.2019 (Az.: 11 U 36/18) zu beurteilen.
Sachverhalt
Geklagt hatte ein IT-Unternehmen, welches eine Software entwickelt und vermarktet hat. Diese Software biete unter anderem ein integriertes Abrechnungs- und Controlling-System für Tankstellen an. Ein Zugriff war über die Web-Anwendung ausschließlich online per Internet möglich. Es bedurfte keiner lokalen Installation beim Anwender.
Beklagt war eine Steuerberatungsgesellschaft, welche sich bei der Beratung ihrer Klienten unter anderem dieser Software bediente. Eine unmittelbare Vertragsbeziehung zwischen ihr und dem IT-Unternehmen bestand nicht.
Das IT-Unternehmen begehrte das Unterlassen der Nutzung der Software durch die Beklagte und die Erstattung der Abmahnkosten.
Die Vorinstanz hatte die Klage abgewiesen. Nach der Ansicht des Landgerichts lag bereits „kein Hochladen des Computerprogramms in den Arbeitsspeicher weiterer Computer und schon gar nicht in solche der Beklagten“ vor. Sämtliche Programmabläufe fänden in den Arbeitsspeichern der Servicecomputer der Klägerin statt, wodurch keine Verletzungshandlung im Sinne des § 69c UrhG erkennbar sei. Vielmehr würden „lediglich die Ergebnisse der Datenverarbeitung des Servercomputers der Klägerin übertragen“.
Gegen diese Ansicht wehrte sich die Klägerin. Ihrer Ansicht nach lag eine rechtswidrige vorübergehende Vervielfältigung vor. Für diese ist es ihrer Ansicht nach ausreichend, dass „das Computerprogramm auf Veranlassung der Beklagten in den Arbeitsspeicher der Server im Rechenzentrum der Klägerin geladen werde“.
Entscheidung
Das OLG Frankfurt entschied, dass die Berufung der Klägerin zwar zulässig, jedoch unbegründet ist. Damit wurde der Anspruch der Klägerin auf Unterlassung der Nutzung durch die Beklagte abgewiesen.
Eine „Vervielfältigung“ hat, nach Aussage des Gerichts, „zur Folge, dass das Vervielfältigungsstück in der gleichen Art und Weise genutzt werden kann, wie das Werk selbst“. Diese Folge stellt den „zusätzlichen Werkgenuss“ dar.
Mit anderen Worten: Es wird immer dann von einem „zusätzlichen Werkgenuss“ gesprochen, wenn nicht nur die ursprünglich gemietete Software/ Lizenz genutzt wird, sondern bewusst mehrere.
Beispiel: Unternehmen A mietet von Unternehmen B 5 Lizenzen für eine Software. Diese werden per Remote Access zur Verfügung gestellt. A ruft die Lizenzen jedoch nicht nur mit 5 Unternehmenscomputern ab, sondern mit 7. Werden die Lizenzen nun auf allen Computern absichtlich gleichzeitig verwendet, liegt bei 2 Computern ein „zusätzlicher Werkgenuss“ vor. Welchen A bewusst, durch die gleichzeitige Verwendung, herbeigeführt hat.
Zurück zu der Gerichtsentscheidung: Das OLG Frankfurt verdeutlichte zudem, dass der Gesetzeszweck des § 69c Abs. 1 UrhG unabhängig davon greift, in wessen Sphäre die für die zusätzliche Nutzung erforderliche Vervielfältigung stattfindet.
Problematisch ist es, wenn die Kunden weder einen Einfluss, noch Kenntnis darüber haben, dass ihre Nutzung zu einer Vervielfältigung der Programme führt.
In der Praxis bedienen sich jedoch viele IT-Unternehmen einer solchen Methode.
Beispiel: Es wird ein Mietvertrag über die Nutzung von 1 TB auf einem Server abgeschlossen. Dem Mieter ist es jedoch möglich auch mehr als diese 1 TB zu belegen, die Mehrnutzung wird dem Mieter anschließend in Rechnung gestellt.
Die beschriebene Mehrnutzung fällt dem Mieter in den meisten Fällen nicht auf und somit auch nicht der „zusätzliche Werkgenuss“. Zwar kann in einem solchen Fall eine Vervielfältigung vorliegen, es fehlt jedoch an der bewussten Handlung des Mieters. Aus diesem Grund ist es dem Vermieter auch nicht möglich, seinen Anspruch auf die Mehrvergütung gerichtlich geltend zu machen.
Fazit
Auch wenn es gängige Praxis ist, dass Kunden mehr Lizenzen oder Serverkapazitäten verwenden können als ursprünglich vereinbart und die Mehrkosten anschließend in Rechnung gestellt werden, gibt es aus juristischer Sicht für diese Mehrvergütung keine Rechtsgrundlage. Würde sich ein Kunde weigern, diese Mehrvergütung zu bezahlen, hätte der andere Vertragspartner keine Möglichkeit sie gerichtlich geltend zu machen. Das Druckmittel besteht einzig in der Erklärung der ordentlichen Kündigung. Lizenzgebühren oder Schadensersatz können nicht gefordert werden.
Deswegen ist es IT-Unternehmen zu empfehlen, eine technische Sperre zu integrieren, welche eine Nutzung, die über das vertraglich vereinbart Maß hinaus geht, verhindert. Eine andere Möglichkeit ist es, mit Warnhinweisen zu arbeiten. Diese würden dem Kunden verdeutlich, dass er dabei ist, eine Grenze zu überschreiten. Sollte der Kunde dennoch weiteren/e Speicher/ Lizenzen verwenden, kann nachgewiesen werden, dass dies bewusst geschehen ist.
Miriam Reichow/ Stefan Kramer