Ein Blick über den großen Teich
Lange Zeit war eine „Regulation“ des Digital-Marktes in den Vereinigten Staaten von Amerika nicht wirklich vorhanden, bzw. geprägt von den marktbeherrschenden „BigTech“. Amazon, Apple, Google, Meta, Microsoft könnten jahrelang auf den „Digitalen Märkten“ schalten und walten, wie sie wollten. Nun sind die „BigTech“ in den Fokus der Markt- und Wettbewerbsaufsicht in den USA geraten: Das Paket der Neuerungen sieht 6 Gesetze für mehr Wettbewerb im Digitalsektor und verbundenen Sektoren vor. Auch eine Zerschlagung von „Big Tech“ wird nicht ausgeschlossen. Dazu gab es Neubesetzungen in den Führungspositionen der Kartellbehörden und vermehrt Klagen der US-Behörden gegen einzelne „Big Tech(s)“ vor den Gerichten.
Was hat sich im US-Kartell- und Wettbewerbsrecht in den letzten Monaten geändert?
Der American Innovation and Choice Online Act (AICOA) soll folgende „Adressaten“ regulieren: die sogenannten “covered platforms”, das sind Webseiten, Online- oder Mobile Apps, Betriebssysteme (OS), Digitale Assistenten und Online-Services. Ab einer Anzahl von 50 Mio. Nutzern oder 100.000 geschäftlichen Anwendern wird es für diese Plattformen ernst.
Das Verbot von Selbstbevorzugung (Self-Preferencing) für diese Plattformen, die eigenen Produkte und Dienste zu bevorzugen stellt dabei ein Kernelement dar. Es definiert ein Diskriminierungsverbot gegenüber Wettbewerbern.
Ein gutes Beispiel dafür ist Amazons Choice, eine Empfehlung für ein bestimmtes Produkt oder Ware. Diese darf nicht die eigenen Produkte und Waren von Amazon gegenüber Dritten Anbietern bevorzugen.
Weiterhin sind die Behinderung von Geschäftskunden bei konkurrierender Tätigkeit und das Verhindern von Interoperabilität und Datenportabilität zentrale Verbote. Der Betreiber darf zudem keine Daten von Geschäfts- und Kundendaten zu Wettbewerbszwecken nutzen.
Darüber hinaus sind eine Produktbündelung, bzw. -kopplung nicht erlaubt. Bei Vorinstallation und „Default Settings“ gibt es weiterhin Einschränkungen für den Dienstleister.
Woher kommen diese Änderungen, bzw. wovon werden Sie beeinflusst?
Die Europäische Union (EU) setzt mittlerweile die globalen Standards im Kartell- und Wettbewerbsrecht. Der von Bradford genannte „Brüssel- Effekt“ bezieht sich auf die erste Gesetzgebung mit globaler Auswirkung, die EU-DSGVO.
Neuere EU-Gesetzgebungsverfahren, wie der Digital Markets Act (DMA), prägen die aktuellen US-Gesetzesvorhaben für den Digitalen Sektor (z.B. AICOA und OAMA).
Zurück in die USA:
Der Treiber für die Änderungen sind Marktmacht und Zusammenschlüsse von Unternehmen. Ein stärkerer Fokus liegt neuerdings auf dem Missbrauch von Marktmacht, insbesondere durch das genannte „Self-Preferencing“. Es soll zudem eine striktere Bewertung vertikaler Zusammenschlüsse (also innerhalb der Distributionskette) erfolgen. Dabei soll das Konzept der “Killer Acquisitions” entwickelt werden.
Privatsphäre ist schützenswert. Der Datenschutz rückt verstärkt ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Die Forderung nach strikterer Begrenzung der Erhebungs- und Nutzungsmöglichkeiten von Daten geht damit einher.
Eine aktive Antitrust- Politik oder Antitrust- Regulation sprechen für eine veränderte Personalpolitik und Vorgaben für die Wettbewerbsbehörden. Dies geschieht angesichts bestehender Macht Konzentrationen bei den „Big Techs“. Es stellt sich die Frage nach der Notwendigkeit neuer legislativer Instrumente, statt nur die Weiterentwicklung des Kartellrechts voranzutreiben.
Was sind die wichtigsten unterschiedlichen Regelungen des Digital Market Act (DMA) der EU im Vergleich zu dem US American Innovation and Choice Online Act (AICOA)?
EU Digital Markets Act (DMA) | US American Innovation and Choice Online Act (AICOA) | |
Ziele | Offene und faire Märkte | Bekämpfung der Selbstbevorzugung und Diskriminierung |
Zielgruppe | Abdeckung der Plattformen (Breite) | Quantitative Anforderungen an Nutzerzahlen (Höhe) |
Operabilität |
Plattform Interoperabilität (allgemein)
Nutzbarkeit von Drittanbieter-Apps auf OS geregelt (Anti-Steering) |
Plattform Interoperabilität (nur Wettbewerber) Nutzbarkeit von Drittanbieter-Apps auf OS nicht spezifisch geregelt |
Missbrauch | weitergehendes Verbot von Datenmissbräuchen | Nutzung von gesammelten Daten, um mit Nutzern zu konkurrieren, ist verboten |
Bevorzugung | Selbstbevorzugung bei Ranking und Vorinstallation und Verknüpfung Zugang zur Plattform mit Inanspruchnahme weiterer Dienste geregelt Diskriminierungsverbot bei geschäftlichen Konditionen: nur bei Zugang zu App Stores |
Selbstbevorzugung bei Ranking und Vorinstallation und Verknüpfung Zugang zur Plattform mit Inanspruchnahme weiterer Dienste geregelt zusätzliches Diskriminierungsverbot bei geschäftlichen Konditionen |
M&A |
Pflicht zur Mitteilung von Akquisitionen (Art. 14 DMA) | AICOA ohne Aussage dazu, ggf. anderer Act mit strengen Regeln zu 50 Mio. USD |
Verteidigung | keine Möglichkeit auch nicht Wettbewerbs-verzerrung oder besondere Rechtfertigung | “affirmative defenses” z.B. Compliance, Security, Schaden am Wettbewerb |
Durchsetzbarkeit | keine gesetzliche Grundlage für private Rechtsdurchsetzung Kommission und Literatur nehmen die private Durchsetzbarkeit an | allein „Public Enforcement“ durch DOJ/FTC |
Im Digital Markets Act (DMA) kommen zusätzlich außerdem vor:
- Verbot der Datenkombinierung und –nutzung über verschiedene Dienste
- Verbot der Einschränkung von Multihoming und Switching
- Anti-Steering: Verbot der Verhinderung von Transaktionen / Zugang außerhalb der Plattform
- Suchdaten-Sharing mit Wettbewerbern bei Suchmaschinen
- Meistbegünstigungsklauseln
Was bedeutet OAMA (Open App Markets Act) für die Zukunft der BigTechs ?
Mit dem Ziel mit dem „Duopol“ (Apple & Google Play) ins Feld zu ziehen, setzt der OAMA im Entwurf vom Sommer 2021, auf die zweiteilige Angriffsmethode der „Do“ and „Don’ts“.
Die Gebote (do’s) sind u. A.: das Gewährleisten der vielbesagten Interoperabilität, die Verfügbarkeit von Drittanbieter-Apps und App-Stores, die Möglichkeit zur Deinstallation vorinstallierter Apps und nutzerfreundliche Auswahlmöglichkeiten für Voreinstellungen (‚defaults‘).
Bei den Verboten gelten die Erfordernisse der Benutzung von In-App-Bezahlung und gleicher oder besserer Preise gegenüber anderen App-Stores. Zudem sind Strafmaßnahmen bei Verstoß gegen die Vertragspraxis der App-Store-Betreiber verboten. Das vorher genannte „Self-Preferencen“ im App-Bereich und das Nutzen von nicht-öffentlichen Geschäftsinformationen setzen den Abschluss.
Es gibt selbstverständlich auch rechtliche Ausnahmen für die erforderlichen Maßnahmen. Diese finden sich im Bereich von Datenschutz („privacy“), Sicherheit und Digital Safety, Spam-/ Betrugs-Prävention, IP-Infringement-Prävention und im Falle von hohen Beweisanforderungen (“preponderance of the evidence”).
Die Durchsetzung erfolgt hier erneut durch „Public Enforcement“ der Federal Trade Commission („Bundeshandelskommission“) oder eines Attorney General, bzw. State Attorney General („Staatsanwaltschaft“). Das private „Enforcement“ ist nur für App-Entwickler als Geschädigte möglich.
Somit stellt der finalisierte und verabschiedete OAMA einen Rückbau des Duopols von Apple und Google in Aussicht und hat damit eine große Wirkung für künftige „BigTech“- Regulierung.
Wie geht es nun im Bereich der Digital Market Regulation weiter?
Mit Sicherheit hat sich der Ton bei den Kartellbehörden geändert. Man könnte nun annehmen, dass diese wirklich bereit sind, die kartellrechtliche Regulierung der Digitalen Märkte vorantreiben zu wollen. Zumindest der gestiegene Einsatz von Ressourcen (z.B. Personal, Finanzen) und der Fünf- Punkte- Plan in der Politik machen dort Hoffnung.
30. Oktober 2022
Dr. Gerd Grimberger
Rechtsinformatiker