Das Thema: Wie werden Forderungen aus Dauerschuldverhältnissen (z.B. Softwarepflege, SaaS, Managed Services, Wartung, etc.) in der Insolvenz behandelt? Und wie kann sich ein IT- Unternehmen vor den Folgen der Insolvenz eines Kunden am besten schützen?
Ich behandele in diesem Blog zwei unterschiedliche Fälle:
Fall 1: Es werden zunächst Leistungen erbracht und anschließend eine Abrechnung vorgenommen.
Fall 2: Es werden die Rechnungen im Voraus für einen bestimmten Zeitraum gestellt.
I. Relevante Grundsätze des Insolvenzrechts
Bevor man sich in den Einzelheiten verliert, sollte man immer verstehen, worum es bei einem Insolvenzverfahren geht. Sobald ein Insolvenzantrag gestellt ist, sollen Maßnahmen aus Einzelvollstreckungen unterbunden werden. Im zweiten Schritt soll durch einen Insolvenzverwalter, der als Gutachter fungiert, festgestellt werden, ob das Unternehmen noch zu retten ist oder ob die Insolvenzmasse in einem geordneten Verfahren unter den Gläubigern verteilt wird und ob das Unternehmen als solches liquidiert wird.
In praktisch allen Fällen endet mit dem Antrag auf die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens die uneingeschränkte Vertretungsmacht der bevollmächtigten Organe. Die Geschäftsführung kann also nicht mehr ohne den Insolvenzverwalter Verträge abschließen, Zahlungen ausführen, etc. Der Insolvenzverwalter entscheidet, ob und welche Verträge er bedient.
Und diese Aufgabe muss er auf der Grundlage des geltenden Gesetzes so erledigen, dass er zunächst versucht, das Unternehmen zu retten und erst im zweiten Schritt, wenn klar ist, dass es keine Fortsetzungsperspektive gibt, wird das Vermögen des Unternehmens liquidiert.
In den §§ 103 ff. InSO (Insolvenzordnung) stehen nun die Regeln, nach denen der Insolvenzverwalter entscheiden muss, ob er Rechtsgeschäfte (also Verträge) erfüllt oder nicht.
Der Text des § 103 InSO besagt: Bei Verträgen, die noch nicht erfüllt sind (also genau die Verträge, in denen noch Leistungen oder Zahlungen ausstehen), hat der Insolvenzverwalter das Recht, die Erfüllung des Vertrags zu verlangen (1.). Wählt er die Nichterfüllung (2.), bleibt dem IT- Unternehmen nur die Möglichkeit, die offenen Forderungen zur Insolvenztabelle anzumelden (bei nicht bevorzugten Forderungen sind das normalerweise wenige Prozent der ursprünglichen Forderung). Denn im Falle einer Liquidation werden erst a.) die bevorzugten Gläubiger (dazu gehört auch der Insolvenzverwalter) befriedigt und dann dürfen sich die anderen Gläubiger Das an Werten teilen, was noch übrig ist. Und das ist sehr enttäuschend.
- Erfüllungsentscheidung
Trifft der Verwalter die Entscheidung, dass die Leistungen weiter zu erbringen sind, wird die entsprechende Vergütung gem. §§ 105 S. 1, 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 InsO ein Teil der „Masseforderung“. Der Gläubiger muss somit bevorzugt aus der Insolvenzmasse befriedigt werden. In der Praxis bedeutet das: Solange der Insolvenzverwalter auf Ihre Leistungen angewiesen ist, egal ob er Sie braucht um das Unternehmen fortführen zu können, oder um die Buchhaltung auf einen akzeptablen Stand zu bringen, bestehende Forderungen abzugleichen oder zu bezahlen, werden Sie ihr Geld bekommen.
- Nichterfüllungsentscheidung
Wird eine Nichterfüllungsentscheidung getroffen, hat der Gläubiger zwei Möglichkeiten. Entweder der Gläubiger macht einen Schadensersatz, aufgrund der Nichterfüllung des Vertrages, in der Insolvenztabelle geltend – oder er erhebt keine Forderungsanmeldung und macht seine Ansprüche nach der Beendigung des Insolvenzverfahrens geltend. In der Praxis bedeutet das oft, dass man sich überlegen muss, die Forderungen geltend zu machen, weil die absoluten Werte der Anteile so gering sind, dass sich der Aufwand der Anmeldung und Verfolgung der offenen Posten kaum lohnt.
II. Anwendung auf die Fälle
1.) Im Fall 1 – Sie fakturieren nach Erbringung der Leistung –danach ist die Entscheidung einfach: Im ersten Schritt muss man sich damit abfinden, ob der Insolvenzverwalter die Erfüllung der Verträge wählt oder nicht. Wählt er die Erfüllung, bedeutet das, dass er Sie braucht und dann können Sie auch die Erfüllung der offenen Posten zur Grundlage weiterer Leistungen machen. (Wählt er die Nichterfüllung, kann man als Berater meist nichts mehr tun.)
2.) Im Fall 2 ist die Sache schwieriger. In der Praxis ist es Standard, dass eine Vergütung für mindestens drei Monate im Voraus entrichtet wird.
Auch hier hat der Insolvenzverwalter wieder die Entscheidungsgewalt: Er kann wählen, ob die Leistung für die bereits gezahlte Vergütung weiterhin erbracht werden soll. In diesem Fall muss z.B. die Software weiter zur Verfügung gestellt, bzw. die Dienstleistungen erbracht werden. Die entsprechende Vergütung hat der Gläubiger mit der Vorauszahlung ja bereits erhalten. Entscheidet der Insolvenzverwalter hingegen, dass die Leistungen nicht von Bedeutung sind und nicht weiter erbracht werden sollen, kann er die im Voraus „zu viel“ entrichtete Vergütung wieder zurück verlangen.
Teil II
Dieser Beitrag wird fortgesetzt.