Änderungsbefugnis eines digitalen Produkts nach § 327r BGB Teil I

Vertrag ist Vertrag. Das ist jedem bekannt und die Rechtsprechung hat hierzu inzwischen klare Kante gezeigt.

Bedeutet:

Wenn ich in einem Vertrag eine Leistung vereinbart habe, muss ich diese auch zur Verfügung stellen.
Bei kurzlebigen Produkten, wie zB digitalen Produkten, wo sich ständig etwas ändert, ist diese Gesetzeslage etwas sperrig.

Daher vereinbaren Unternehmen in ihren AGB gerne, dass sie das digitale Produkt einseitig anpassen dürfen, wenn es dem Kunden zuzumuten ist.
Die Rechtsprechung urteilt bei Klauseln mit einseitigen Änderungsbefugnissen, dass diese Klauseln unzulässig seien.
Das ergibt sich auch aus § 308 Nr. 4 BGB (Änderungsvorbehalt).

Aus diesem Grund wird in derartigen Klauseln ein Widerspruchsvorbehalt eingebaut (ebenfalls unzulässig), oder aber, man erfragt beim Kunden, ob dieser den Änderungen zustimmt.

Hat der Kunde in der Vergangenheit widersprochen oder der Änderung nicht explizit zugestimmt, hat der Unternehmer ein Problem gehabt:

Er hatte Kunden, bei denen die Änderung erlaubt war, und Kunden, bei denen die Änderung nicht erlaubt war mit der Konsequenz, dass er mehrere Versionen des digitalen Produkts auf dem Markt hatte.
Das sog. „One to many” Modell (jeder Kunde erhält die gleiche Version) konnte der Unternehmer also vergessen.

Seit dem 01.01.2022 gelten im BGB die Neuregelungen zu digitalen Inhalten oder digitalen Produkten (§ 327 BGB).
§ 327r BGB befasst sich mit Änderungen an digitalen Produkten während der Vertragslaufzeit. Diese Regelung gilt unmittelbar nur gegenüber Verbrauchern.

1. Was ist eine Änderung nach § 327r BGB

Der Wortlaut des § 327r Abs. 1 BGB lautet:

(1) Bei einer dauerhaften Bereitstellung darf der Unternehmer Änderungen des digitalen Produkts, die über das zur Aufrechterhaltung der Vertragsmäßigkeit nach § 327e Absatz 2 und 3 und § 327f erforderliche Maß hinausgehen, nur vornehmen, wenn

1.der Vertrag diese Möglichkeit vorsieht und einen triftigen Grund dafür enthält,
2.dem Verbraucher durch die Änderung keine zusätzlichen Kosten entstehen und
3.der Verbraucher klar und verständlich über die Änderung informiert wird.

Eine Änderung des digitalen Produkts ist also mehr als nur „das zur Aufrechterhaltung der Vertragsmäßigkeit“ erforderliche Maß.

In § 327e Abs. 2,3 und § 327f BGB sind also offenbar diejenigen Änderungen am digitalen Produkt geregelt, die zur Aufrechterhaltung der Vertragsgemäßheit erforderlich sind, sprich: Aktualisierungen.

2. Änderung nach § 327r BGB ist mehr als eine bloße Aktualisierung des digitalen Produkts

Schaut man in § 327f BGB, so wird dort der Begriff „Aktualisierung“ geregelt. Aktualisierungen sind kurz gefasst Maßnahmen, die für den Erhalt der Vertragsmäßigkeit des digitalen Produkts erforderlich sind.

Was für die Vertragsmäßigkeit des digitalen Produkts erforderlich ist, findet sich in § 327e Abs. 2 und 3 BGB. Das digitale Produkt ist demnach vertragsgemäß, wenn es den subjektiven und objektiven Anforderungen an das Produkt entspricht.

Wie schön. Bis hierhin ist es doch ganz einfach, nicht? 😉

3. Fazit

Eine Änderung nach § 327r BGB ist also eine Maßnahme, die zur Abweichung der subjektiven und objektiven Anforderungen des digitalen Produkts führt.

Dabei kommt es nicht darauf an, ob es für den Verbraucher einen Nachteil oder Vorteil bereitet, sondern es genügt die Abweichung des Sollzustands. Das bedeutet wiederum, das genau betrachtet werden muss, was vertraglich vereinbart wurde.

Ist die Farbgestaltung ein Bestandteil der vereinbarten Beschaffenheit (§ 327e Abs. 2 Nr. 1a) BGB, dann wäre eine Änderung der Farbgestaltung eine Abweichung des Sollzustands und somit eine Änderung im Sinne der Norm.

In Teil II werde ich darauf eingehen, welche Änderungen für diese Regelung relevant sind.

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