Seit einiger Zeit gibt es für Online-Händler bereits die Hinweispflichten zum Streitbeilegungsverfahren.
Angefangen hat alles mit einem Hinweis und einem Link auf die sog. OS-Plattform, die Online-Streitbeilegungsplattform für Verbraucherangelegenheiten gemäß der sog. ODR-Verordnung.
Mit dieser Plattform erhält der Verbraucher die Gelegenheit, eine alternative Streibeilegung wahrzunehmen, wenn im Rahmen des Online-Kaufs Streitigkeiten mit dem Online-Händler entstanden sind.
Seit dem 1.02.2017 gilt, dass die Online-Händler (ausgenommen Kleinunternehmer) grundsätzlich darüber informieren müssen, ob sie dazu verpflichtet oder freiwillig bereit sind, an einem außergerichtlichen Streitbeilegungsverfahren teilzunehmen (§ 36 VSBG). Die Frage nach dem „ob“ zeigt, dass sowohl positiv darüber informiert werden muss, als auch negativ, das heißt, wenn eine Teilnahme nicht erfolgen soll. Der Hinweis hierzu muss sowohl in den AGB als auch leicht zugänglich auf der Webseite des Online-Händlers zur Verfügung stehen.
Fall vor dem BGH
Der BGH hatte am 21.08.2019 (Az. VIII ZR 265/18) folgenden Fall zu entscheiden:
Ein Online-Händler bot auf seiner Webseite Lebensmittel zum Kauf an. Im Impressum dieser Webseite befand sich folgender Hinweis:
„Der Anbieter ist nicht verpflichtet, an Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle teilzunehmen.
Die Bereitschaft dazu kann jedoch im Einzelfall erklärt werden.“
Eine nahezu gleichlautende Mitteilung war in § 11 der auf ihrer Internetseite veröffentlichten Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten. Dort heißt es:
„Es wird darauf hingewiesen, dass der Anbieter nicht verpflichtet ist, an einem Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle teilzunehmen.
Die Bereitschaft dazu kann jedoch im Einzelfall erklärt werden.“
Hiergegen wendete sich ein Verein zur Stärkung der Verbraucherrechte. Er war der Auffassung, dass hier ein Verstoß gegen § 36 VSBG vorliegt. Der Verbraucher müsse nämlich den Unternehmer zuerst kontaktieren, um herauszufinden, ob in seinem Fall eine Streitbeilegung in Betracht komme.
Der Verein hat das Unternehmen erfolglos abgemahnt und die Ansprüche auf Unterlassung anschließend eingeklagt.
Die Entscheidung des BGH
Zunächst erläutert der BGH die Vorschrift des § 36 VSBG und stellt dann fest, dass die Angaben nicht hinreichend klar und transparent sind:
Die Vorschrift des § 36 Abs. 1 Nr. 1 VSBG stellt (…) mehrere Anforderungen an die allgemeine Informationspflicht des Unternehmers. Zum einen wird dem Unternehmer aufgegeben, den Verbraucher als künftigen Vertragspartner nicht nur darüber zu unterrichten, ob er zur Teilnahme verpflichtet ist, sondern auch davon, ob er dazu wenigstens freiwillig bereit ist oder nicht. Das Gesetz verlangt insoweit (…) auch die Angabe, „inwieweit“ der Unternehmer bereit oder verpflichtet ist, sich an einem Streitbeilegungsverfahren zu beteiligen.
[…]
Danach schließt die Verpflichtung des Unternehmers, „den Verbraucher leicht zugänglich, klar und verständlich in Kenntnis zu setzen davon, inwieweit er bereit ist oder verpflichtet ist, an einem Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle teilzunehmen“ auch die Pflicht mit ein, in den Fällen, in denen die Teilnahmebereitschaft oder -verpflichtung nur eingeschränkt besteht, dem Verbraucher die Reichweite der Mitwirkungsbereitschaft oder -verpflichtung so deutlich vor Augen zu führen, dass er umfassend und mit der gebotenen Klarheit darüber informiert ist, welche Haltung der Unternehmer in künftigen Fällen bezüglich einer alternativen Streitbeilegung einnimmt. Dies ist nicht gewährleistet, wenn der Unternehmer seine Teilnahmebereitschaft dahin beschreibt, dass er sich im Einzelfall zu einer Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle bereitfinden werde oder könne.
[…]
Gemessen an den vorstehend beschriebenen Maßstäben genügt – (…) die Angabe, dass die Bereitschaft zu einer Teilnahme der Beklagten an einem Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherstelle teilzunehmen, „im Einzelfall“ erklärt werden könne, nicht den aus dem Sinn und Zweck des § 36 Abs. 1 Nr. 1 VSBG abzuleitenden Anforderungen an das in dieser Vorschrift aufgestellte Klarheits- und Verständlichkeitsgebot.
Eine solche Mitteilung lässt offen, von welchen Kriterien der Unternehmer seine Entscheidung abhängig macht, sich auf eine Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle einzulassen, und zwingt den Verbraucher daher zu Nachfragen. Zudem impliziert sie, dass der Unternehmer – anders als von § 36 Abs. 1 Nr. 1 VSBG vorausgesetzt – noch gar keine (revidierbare) Entscheidung über seine Teilnahmebereitschaft getroffen hat. (…) Eine solche Vorgehensweise läuft aber – wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat – dem Sinn und Zweck des § 36 Abs. 1 Nr. 1 VSBG zuwider, dem Verbraucher rasch und leicht zugänglich Klarheit über eine mögliche Teilnahmebereitschaft des Unternehmers und deren Reichweite zu verschaffen.
Kommentar
Diese Entscheidung überrascht (leider) nicht. Die Intention des Online-Händlers, im Einzelfall einem außergerichtlichen Verbraucherstreitbeilegungsverfahren zuzustimmen, wo doch in den meisten Online-Shops die Erklärung zu finden ist, dass ein außergerichtliches Verbraucherstreitbeilegungsverfahren abgelehnt werde, ist ja lobenswert. Keine Frage. Aber es ist, wie immer im Handel mit Verbrauchern: die Erklärungen müssen transparent und eindeutig sein. Lieferfristen dürfen keine c.a. Angaben haben, der Beginn der Widerspruchsfrist muss für den Verbraucher auf den Tag genau erkennbar sein und die Versandkosten mögen bitte direkt mit Angabe der Kaufsumme ablesbar sein.
Die klaren und transparenten Angaben zur Streitbeilegung / Streitschlichtung reihen sich somit in die höchstrichterliche Rechtsprechung ein.
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