Nanu. Was soll denn eine „sprechende“ Marke sein?
Das Bundespatentgericht hat sich mit Beschluss vom 6.08.2019 (Az. 29 W (pat) 593/17) mit der Unterscheidungskraft des Kennzeichens „Designdschungel“ auseinandergesetzt.
Grund hierfür war die Ablehnung des Patent- und Markenamtes (DPMA), dieses Kennzeichen als Wortmarke für eine Vielzahl von Waren und Dienstleistungen anzumelden, unter anderem Seifen, Parfümeriewaren (Klasse 3), Edelsteine, Perlen, Edelmetalle und Schmuckwaren (Klasse 14), Taschen (Klasse 18), Bekleidung (Klasse 25), Telekommunikationsdienste (Klasse 38) und noch einige mehr.
Vorgeschichte, Entscheidung des DPMA
Das DPMA begründete seine Entscheidung damit, dass der Zeichenbestandteil „Design“ für formgerechte und funktionale Gestaltgebung stehe und der Zeichenbestandteil „Dschungel“ mehrere Bedeutungen haben könne, wie etwa „wüster Boden“ oder aber auch „Chaos, Unordnung, Wirrwarr“. Das DPMA argumentierte:
„Die hier angesprochenen Verkehrskreise fassten die Bezeichnung „Designdschungel“ lediglich als Hinweis dahingehend auf, dass die von der Anmeldung erfassten Kosmetik-, Schmuckwaren, Leder-, Papier-, Möbel-, Bekleidungswaren usw. sowie die Einzelhandels- und Kommunikationsdienstleistungen eine Vielzahl von Gestaltungsvarianten an Formen und Vielfalt bei den Waren ermöglichten, unterschiedlichste Designs verkörperten oder eine Vielzahl von unterschiedlichen Gestaltungsvarianten in den unterschiedlichsten Zusammenstellungen bei den Waren darstellen oder schaffen könnten oder aber, dass diese Waren für unterschiedlichste Designs geeignet seien oder aber, dass im Rahmen dieser Dienstleistungen unterschiedlichste Gestaltungsformen bearbeitet würden oder Gegenstand dieser Dienstleistungen seien. Das Markenwort sei als ohne weiteres verständliche, unmittelbar beschreibende Angabe nicht geeignet, die betreffenden Waren und Dienstleistungen hinsichtlich ihrer Herkunft aus einem Unternehmen von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden.“
Entscheidung des Bundespatentgerichts
Das Bundespatentgericht (BPatGE) gab der Beschwerde des Markenanmelders mit den Worten statt:
„…, denn entgegen der Auffassung der Markenstelle stehen der Eintragung des Anmeldezeichens für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen keine Schutzhindernisse entgegen. Die Wortbildung „DESIGNDSCHUNGEL“ stellt eine sog. sprechende und damit schutzfähige Marke dar.“
Das angemeldete Kennzeichen „Designdschungel“ habe hinreichende Unterscheidungskraft gem. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Das DPMA lag falsch.
Ich gebe nachfolgend ein Zitat aus dem Urteil des Bundespatentgerichts wieder, um einmal zu zeigen, mit welcher Granularität sich das Gericht mit der Unterscheidungskraft von Wortmarken auseinandersetzt.
„Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH a. a. O. – Pippi-Langstrumpf-Marke). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen.
[…]
Gemessen an den vorgenannten Grundsätzen verfügt das Anmeldezeichen „DESIGNDSCHUNGEL“ noch über das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft. Der angesprochene Verkehr mag der angemeldeten Bezeichnung in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen verschiedene beschreibende Anklänge beimessen, er wird sie aber nicht für eine rein beschreibende Bezeichnung, sondern zugleich auch für einen betrieblichen Herkunftshinweis halten.
Zu Recht beanstandet die Beschwerdeführerin, dass die Markenstelle der Bezeichnung „Designdschungel“ die Bedeutung „Designvielfalt“ beigemessen hat. Für ein solches Verkehrsverständnis gibt es – wie die Recherche des Senats ergeben hat – keine Anhaltspunkte; die Markenstelle hat für ein solches Verkehrsverständnis auch keinerlei Belege aufgeführt. Die im Deutschen verwendeten Begriffe mit „-dschungel“ wie z. B. Abhördschungel, Bücherdschungel, Buchstabendschungel, Paragrafendschungel, Tarifdschungel, Subventionsdschungel, Steuerdschungel (vgl. Rückläufiges Wörterbuch der deutschen Sprache, Verlag De Gruyter) sind negativ konnotiert, nämlich mit der Assoziation des Nichtzurechtfindens bzw. des Undurchschaubaren. Auch die vom Senat im Rahmen seiner Recherche gefundenen Verwendungsbeispiele des angemeldeten Begriffs – wie beispielsweise die Aussagen „Wahnsinn im DesignDschungel“ oder „Durch den Design-Dschungel mit dem StyleClub… – Genau diesen Wegweiser durch den Design-Dschungel braucht man allerdings auch…“ – legen ein solches Verständnis nahe.
Der Umstand, dass mit einem Dschungel in seiner ursprünglichen Bedeutung auch eine vielfältige Pflanzen- und Tierwelt assoziiert werden kann, führt nicht dazu, dass dem Anmeldezeichen unmittelbar die Aussage „Designvielfalt“ zu entnehmen ist. Hierfür bedarf es vielmehr analysierender Zwischenschritte, die aber im Rahmen der Beurteilung der markenrechtlichen Schutzfähigkeit zu unterbleiben haben.
dd) In der Bedeutung „Designchaos, Designwirrwarr, Designundurchdringlichkeit“ wird der Verkehr das Anmeldezeichen „DESIGNDSCHUNGEL“ in Bezug auf die hier beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht als eine im Vordergrund stehende beschreibende Angabe auffassen. Allenfalls werden Assoziationen an zahlreiche, wilde und/oder unterschiedliche Designprodukte geweckt.
Zwar wird der größte Teil der Waren tatsächlich „designt“ (so gibt es z. B. auch Parfümdesigner oder Papierdesigner). Des Weiteren finden sich viele Waren im Dschungeldesign, wie z. B. Papierblöcke, Bekleidungsstücke, Möbel, Tapeten etc. Der insoweit beschreibende Begriff „Dschungeldesign“ kann aber gerade nicht mit der angemeldeten Wortbildung „Designdschungel“ gleichgesetzt werden. Die Begriffe vermitteln vielmehr in Bezug zu den beanspruchten Waren unterschiedliche Sinngehalte, nämlich einerseits dahingehend dass die Waren in einem Design, das an einen Dschungel erinnert, gehalten bzw. mit Motiven aus dem Dschungel versehen sind und andererseits, dass die Produkte ein wirres Durcheinander von Designs (was auch immer das sein soll) aufweisen. Im letzteren Fall bleibt unklar, welche konkrete Produktinformation dem Anmeldezeichen überhaupt entnommen werden könnte. Dass eine Ausgestaltung, die verschiedene Design-Stile miteinander kombiniert, mit „Designdschungel“ beschrieben wird, ist nicht feststellbar.
Wegen der konkreten Wortbildung, nämlich der im Deutschen sprachüblichen Zusammensetzung von zwei Substantiven zu einem einheitlichen Wort, wird der angesprochene Verkehr bei der Bezeichnung „DESIGNDSCHUNGEL“ auch nicht von einer bloßen Aneinanderreihung von zwei Schlagworten ausgehen – z. B. im Sinne von „Krabbeldecke mit Applikation Design Dschungel grün“ (hier wird im Übrigen im Weiteren das Produkt wie folgt beschrieben: „Wir verkaufen unsere geliebte Krabbeldecke Alvi im neutralen Dschungeldesign“), „Eike von Paidi – Kinderzimmer Eiche – Design – Dschungel“, „Das Doppeltipi im Design ‛Dschungel‛“, „Kinderbettwäsche Satin Dschungel-Motive: Material: BioSatin Design: Dschungel“, „Button zum Anstecken Design Dschungel“ -, sondern darin einen eigenständigen Begriff sehen.
Schließlich ist nicht belegbar, dass die Angabe „-dschungel“ eine übliche Bezeichnung für eine Angebotsstätte darstellt, insoweit ist der Begriff nicht vergleichbar mit Angaben wie „-oase, -paradies, -welt“. „DESIGNDSCHUNGEL“ kann daher auch nicht als Synonym für Designshop, Designladen angesehen werden.
Das Bundespatentgericht befasst sich anschließend mit den jeweils angemeldeten Waren und Dienstleistungen, für die das Kennzeichen „Designdschungel“ angemeldet wurde und kommt zu dem Ergebnis, dass keine reine Beschreibung der jeweiligen Waren und Dienstleistungen vorliegt.
Einen Hinweis zu seiner Aussage, es liege eine „sprechende“ Marke vor, gibt uns diese Entscheidung leider nicht. Aber es kann davon ausgegangen werden, dass hiermit lediglich ein Hinweis auf § 3 Abs. 1 MarkenG (Als Marke schutzfähige Zeichen) gegeben ist.
Kommentar:
Diese Entscheidung ist meines Erachtens ein guter Schritt zur Flexibilität der Markenämter. Seit einigen Jahren ist das DPMA sehr restriktiv mit Markenanmeldungen umgegangen. Viele Markenanmeldungen wurden zurückgewiesen, manchmal aus unverständlichen Gründen. Andererseits ist das Markenregister voll mit Marken, die nie hätten eingetragen werden dürfen. Dieser Umstand kann aber nicht dazu führen, nun jedem Markenanmelder die Eintragung eines Kennzeichens zu verwehren, nur weil es beschreibenden Anklang hat. Vielmehr muss das DPMA sehr viel mehr abwägen und dabei das Gesamtbild nicht aus den Augen verlieren.
Diese Entscheidung zeigt, dass nicht jede ablehnende Haltung des Markenamtes zur Hoffnungslosigkeit führen muss. Es darf nicht vergessen werden, dass die Mitarbeiter bei dem DPMA jeden Tag mit der Prüfung von Markenanmeldungen konfrontiert sind. Umso wichtiger ist es, diesen Mitarbeitern die Gelegenheit zu geben, die Anmeldung aus einer anderen Perspektive zu sehen und darzulegen, warum das jeweilige Kennzeichen doch Unterscheidungskraft besitzt. Auch wir waren in dieser Hinsicht schon erfolgreich und konnten uns den Gang zum Bundespatentgericht sparen.