Wettbewerbsrecht – vermeidbare Herkunftstäuschung – BGH 20.9.2018 – Industrienähmaschinen

Wettbewerbsrecht – vermeidbare Herkunftstäuschung – BGH 20.9.2018 – Industrienähmaschinen

Warum schreibe ich für den Blog im IT- Recht einen Beitrag über ein wettbewerbsrechtliches Verfahren (zu Industrienähmaschinen), das vor dem BGH entschieden wurde?

Antwort:  Stichwort „Nachahmung“ –  Software ist als Produkt durch die Gesetze zum Schutz des geistigen Eigentums eigentlich nur schlecht geschützt. Das Patentrecht schützt Software grundsätzlich nicht und nach dem Urheberrecht ist praktisch immer die unmittelbare Sequenz im Code der Software geschützt, nicht aber das Design, die Prozesse etc.

In dem Sachverhalt ging es um die Nachahmung von Industrienähmaschinen, die einander im Hinblick auf grafisches Design, technische Daten und teilweise selbst hinsichtlich der Bedienung fast identisch waren.

Das Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs schützt anders als das Urheberrecht nicht die Anfertigung einer Kopie, sondern fragt danach, ob die Herstellung und der Vertrieb eines Produkts eine vermeidbare Herkunftstäuschung auslösen (§ 4 Abs.3 UWG). Eine unmittelbare Herkunftstäuschung liegt dann vor, wenn die angesprochenen Marktteilnehmer das neue Produkt sofort dem Hersteller des anderen Produkts zurechnen, weil sie davon ausgehen, es sei das Originalprodukt. Man spricht hier auch von einer sklavischen Nachahmung, die z.B. dann vorliegt, wenn eine Software sich nach Layout/ Grafik nicht wirklich von dem ursprünglichen Produkt unterscheidet. Eine mittelbare Herkunftstäuschung liegt dann vor, wenn die angesprochenen Verkehrskreise das neue Produkt als Produkt der Serie der anderen Produkte verstehen. Aber: Hier müssen der Ruf des Herstellers und der Grad der Anlehnung berücksichtigt werden. Und hier wird es bei der Softwareindustrie schwierig.

Da man Software als Produkt anders erfährt als z.B. Autos oder Nähmaschinen, kann sich eine Rufausbeutung erst daraus ergeben, dass der Verkehr mit einem bestimmten Layout oder mit einer bestimmten Nutzerführung zu einem bestimmten Hersteller verbinden lässt. Wenn Sie sich einmal die Menüleiste eines Microsoft Office Produkts anschauen, dann müsste jeder, der über die Entscheidung zwischen Office oder einem Programm des Wettbewerbs entscheidet, mit diesem Layout „Microsoft“ verbinden und bei einem neuen Produkt mit solchen Parametern denken: Das kommt doch bestimmt von Microsoft.

Diese Argumentation ist schwierig zu führen, weil man sich Oberflächen von Programmen selbst anpassen kann und zweitens, weil die Oberflächen auch einem bestimmten technisch/ funktionalen Sinn folgen. Bei unseren Anwaltsprogrammen muss immer zunächst eine Akte angelegt werden, bevor ein Dokument erstellt und gedruckt werden kann. Es wäre einfach unlogisch, die Menüführung von hinten zu beginnen.

Es ist jetzt die Frage, wann man im Bereich der Software, die ganz häufig an die Bedürfnisse der Nutzer angepasst wird, von einer geistigen Übertragung der Qualitätsmerkmale ausgehen kann. Software ist derart komplex, dass in vielen Fällen eine direkte Vergleichbarkeit von Programmen unmöglich sein wird. Und bei angepasster Software ergeben sich noch mehr Bedenken, denn angepasste Software wird in den wenigsten Fällen dem Verkehr zur Verfügung gestellt, so dass sich auch keine bestimmte Verkehrserwartung ergeben kann.

Eine gezielte Behinderung durch die Nachahmung scheitert meist an der Nachbeweisbarkeit. In einer Marktwirtschaft behindert jeder, der gewerblich tätig ist, die Absatzchancen des Konkurrenten. Also muss nachgewiesen werden, dass eine Nachahmung gerade mit dem Ziel erfolgt, den Konkurrenten zu behindern. Das kann nach den Umständen des Einzelfalls der Fall sein, wird aber nur sehr schwer nachzuweisen sein.

Was ich damit aufzeigen wollte: Auch nach dem Recht zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs ist die rechtliche Verfolgung von Ansprüchen gegen einen Konkurrenten, der Produkte vertreibt, die den eigenen sehr, sehr ähnlich sehen, nur schwer möglich.

 

Stefan Kramer

 

 

 

 

Weitere Beiträge

Programmieren und KI und Urheberrecht Teil II

Im Teil I hatte ich die generellen Probleme dargelegt, die sich daraus ergeben dass der Output eines KI Systems grundsätzlich nicht als urheberrechtsähiges Werk qualifiziert werden kann. Ganz konkret gehen wir in diesem Teil mal der Frage nach, was das

Mehr lesen »
Nach oben scrollen