Prozesse werden häufig weniger danach entschieden, wer eigentlich Recht hat, sondern vielmehr danach, wer es auch beweisen kann. Daher ist die Frage der Beweislast – d.h. wer muss was genau im Verfahren beweisen – eine sehr entscheidende Frage für den Ausgang des Prozesses. In der Regel muss dabei der Anspruchsteller das beweisen, was für ihn selbst positiv ist. Hiervon gibt es einige wenige Ausnahmen. Der BGH hat in diesem Jahr wieder eine neue Entscheidung zu einem derartigen Ausnahmefall veröffentlicht.
„Wer eine besondere Berufs- oder Organisationspflicht, die dem Schutz von Leben und Gesundheit anderer dient, grob vernachlässigt hat, kann nach Treu und Glauben die Folgen der Ungewissheit, ob der Schaden abwendbar war, nicht dem Geschädigten aufbürden. In derartigen Fällen ist die regelmäßige Beweislastverteilung dem Geschädigten nicht zuzumuten. Der seine Pflichten grob Vernachlässigende muss daher die Nichtursächlichkeit festgestellter Fehler beweisen, die allgemein als geeignet anzusehen sind, einen Schaden nach Art des eingetretenen herbeizuführen.“ (Bestätigung und Fortführung von BGH, Urteile vom 13. März 1962 – VI ZR 142/61, NJW 1962, 959 f und vom 10. November 1970 – VI ZR 83/69, NJW 1971, 241, 243). BGH, Urteil vom 11. Mai 2017 – III ZR 92/16 – KG
Dieser auch aus dem Transportrecht bekannte Rechtgrundsatz der Umkehr der Darlegungs- und Beweislast im Rahmen eines groben Organisationsverschuldens, findet auch für Verletzungen von Leben und Gesundheit Anwendung. In dem vom BGH neu entschiedenen Fall ging es um den Einsatz eines elektronischen Hausnotrufgerätes mit entsprechendem Vertrag zum Noteinsatz und einer offensichtlichen grob fehlerhaften Einschätzung der Situation, die letztlich zu einem schweren Gesundheitsschaden des Klägers geführt hat.
BGH, Urteil vom 11. Mai 2017 – III ZR 92/16 – KG
Rechtsanwältin Jenny Wieske