AGB Recht: Individualvereinbarung und Anforderungen an das Ausverhandeln

Besprechung der Entscheidung des BGH Urteil vom 20.01.2016

Die vorliegende  Entscheidung des BGH verdeutlicht einmal mehr, wie schwierig es ist nachzuweisen, dass eine bestimmte Regelung zwischen den Vertragsparteien ausverhandelt ist. Ich weise immer wieder darauf hin, dass es nicht möglich ist, Regelungen zur Haftungsbeschränkung in allgemeinen Geschäftsbedingungen wirksam zu vereinbaren.  Der einzig gangbare Weg besteht darin, mit dem Vertragspartner eine Vereinbarung „auszuverhandeln“.

Diese Entscheidung des BGH betrifft insbesondere alle unsere Mandanten, die die von uns entwickelte Anlage HBV (Haftungsbeschränkungsvereinbarung) verwenden. Die Entscheidung des BGHs macht ganz deutlich, dass es schädlich ist, der Gegenseite Textvorschläge zu übermitteln, die den gewünschten Regelungsinhalt aufweisen. Es ist in aller Klarheit nachzuweisen, dass der Gegenseite die Gelegenheit gegeben wurde, auf den Inhalt der Regelung und den Vertragstext Einfluss zu nehmen. Sofern dieser Nachweis nicht gelingt, geht die Rechtsprechung davon aus, dass keine ausverhandelte Regelung, sondern eine allgemeine Geschäftsbedingung vorliegt.

Kurz zum Sachverhalt: Die Parteien streiten sich über die Wirksamkeit einer Regelung, die eine Vertragsstrafe beinhaltet. Die Vertragsstrafe wäre als allgemeine Geschäftsbedingung nicht wirksam. Fraglich war also, ob die Regelung von den Parteien ausverhandelt wurde. Nur im letzteren Fall wäre die Regelung wirksam gewesen.

Allgemeine Geschäftsbedingungen sind Standardregelungen, die jedes Unternehmen im geschäftlichen Verkehr verwendet mit dem Ziel, die Regelung mehr als einmal verwenden zu wollen. Es kommt nicht darauf an, ob die Regelung nur einmal verwendet wird. Der BGH führt in seiner Entscheidung aus, dass die § § 305 ff. BGB, die die Wirksamkeit von allgemeinen Geschäftsbedingungen regeln, verhindern wollen, dass derjenige, der sich mit den allgemeinen Geschäftsbedingungen des Vertragspartners auseinandersetzen muss, benachteiligt wird. Jeder von uns kennt das, wenn man an die Geschäftsabschlüsse denkt, die wir alle im Internet vornehmen. Keiner von uns schaut sich als Privatperson noch länger allgemeine Geschäftsbedingungen an, weil wir als Privatperson wissen, durch das Gesetz in guter Weise geschützt zu sein. Das ewige Problem besteht darin, dass das Gesetz kaum und unter in der Interpretation durch den BGH noch weniger zwischen dem Schutz von Privatpersonen oder dem Schutz von Unternehmen differenziert.

So sagt das Gesetz zum Beispiel nicht, dass Regelung zur Beschränkung der Haftung der Höhe wegen (also etwa eine Regelung, die besagt dass die maximale Haftung aus einem Vertragsverhältnis 250.000 € sein soll)  unwirksam ist. So aber, wie der BGH das Gesetz anwendet, ist es in Deutschland unmöglich eine AGB zu formulieren, die die Haftung der Höhe nach beschränkt, wenn das Auftragsvolumen niedriger als das Haftungsrisiko ausfällt.

Die einzige Möglichkeit, die man in diesen Fällen hat besteht darin, mit dem Kunden eine Individualvereinbarung abzuschließen. Der Terminus der in die Individualvereinbarung ist irreführend, man spreche besser von ausverhandelten Regelungen. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nicht ausverhandelte Regelungen, Individualvereinbarungen sind ausverhandelte Regelungen. Die Anforderungen, die der BGH an das Ausverhandeln stellt, sind in der Praxis nur sehr schwer zu erfüllen. Der BGH verlangt, dass der Vertragstext nicht mehr der stellenden Seite zugerechnet werden kann, sondern sich als Regelung darstellt, die beide Seiten miteinander ausverhandelt haben. Im konkreten Fall hat die Gegenseite dem Vertragspartner die Vertragstexte übersendet mit der Bitte, Anmerkungen oder Änderungswünsche mitzuteilen. Das reicht dem BGH nicht aus. Einfach nur zu sagen: Du kannst den vorformulierten Vertragstext auch ändern. Dies bedeutet nicht, den Vertragstext auszuverhandeln.

Im Prinzip kann man also der Gegenseite keine gewünschte Vertragsregelung mehr übersenden, sondern ist gezwungen ein weißes Blatt Papier auf den Weg zu bringen mit einem Begleitschreiben, in dem man eigene Wünsche äußert und der Gegenseite jegliche Möglichkeit gibt, die Regelungen mit zu gestalten. Das große Problem stellt in der Praxis der Fall dar, in dem die Gegenseite auf ein solches Schreiben schlicht schweigt und mit der Vertragsdurchführung begonnen wird. In einem solchen Fall bedeutet das Schweigen der Gegenseite keine Akzeptanz zu der Regelung und nicht, dass die Regelung verhandelt wurde.

Nachdem dies nun durch den BGH klargestellt ist, muss unsere Anlage HBV so geändert werden, dass keine Regelungsinhalte mehr erkennbar sind, sondern ein Begleitschreiben zur Anlage HBV auf den Weg gebracht wird, in welchem der Bereich der möglichen Regelungen skizziert wird. Wer das für praktisch nicht akzeptabel hält, befindet sich vermutlich in bester Gesellschaft. Meine Kritik an der Rechtsprechung des BGHs in Sachen „Rechtsprechung zum Thema allgemeine Geschäftsbedingungen“  wird mich vermutlich bis zur Pensionierung begleiten.

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