Gegen die Anmeldung verwechslungsfähig ähnlicher Zeichen können sich die Inhaber älterer Marken mit dem Widerspruch wenden. Unter welchen Voraussetzungen aber besteht Verwechslungsgefahr, wenn die ältere Marke als einer von mehreren Bestandteilen in der jüngeren Marke enthalten ist? Hierzu hat sich das EuG geäußert und dabei die Anforderungen sehr, sehr niedrig angesetzt (EuG, Urteil vom 01.10.2014 – T-263/13).
In dem Streit ging es um die Anmeldung der Marke „Holzmichel“ für alkoholfreie und alkoholische Getränke. Gegen diese Anmeldung wandte sich der Rivella-Konzern, der u.a. Inhaber der Marke „Michel“ für dieselben Waren ist. Weil die Marke „Michel“ in der neuen Marke „Holzmichel“ enthalten war, sah Rivella eine Verwechslungsgefahr zwischen beiden Zeichen.
Das EuG entschied zugunsten von Rivella, weil auch das Gericht eine Verwechslungsgefahr zwischen beiden Marken erkannte. In klanglicher und schriftbildlicher Hinsicht bestehe eine Ähnlichkeit deswegen, weil der Name „Michel“ in beiden Marken enthalten sei und dieser Name auch in der Kombination „Holzmichel“ zumindest ein gleichberechtigter Bestandteil sei. In einem solchen Fall greife der – sonst regelmäßig herangezogene – Grundsatz nicht, dass Wortanfänge vom Verkehr stärker wahrgenommen würden als Wortenden. Der Sinngehalt beider Marken sei ebenfalls durch den Begriff „Michel“ gekennzeichnet, der mit dem gleich lautenden Personennamen in Verbindung gebracht werde. Dem stehe auch nicht entgegen, dass der Begriff „Michel“ in einer Vielzahl anderer Marken ebenfalls enthalten sei. Das allein schwäche die Kennzeichnungskraft für den Bereich Getränke nicht.
Zugunsten des Gerichts ist anzunehmen, dass die Anmelderin der Marke „Holzmichel“ schlicht nichts weiter vorgetragen hat, was das Gericht hätte heranziehen können. Denn die Entscheidung ist schlicht falsch:
Zum einen greift das Gericht zu kurz, wenn es die Identität hinsichtlich des Begriffs „Michel“ ohne weiteres als ähnlichkeitsbegründend ansieht. Denn hierzu bedarf es eigentlich einer selbstständig kennzeichnenden Stellung des übernommenen Teils im Rahmen der Gesamtmarke. Hierzu fehlt es an einer hinreichenden Begründung im Urteil. Vielmehr lässt das Gericht durchblicken, dass es ihm auf die Gewichtung der Begriffe nicht entscheidend ankomme.
Zum anderen lässt das Gericht – hier mutmaßlich aufgrund des erwähnten mangelnden Vortrags hierzu – vollkommen außer Acht, dass der Begriff „Holzmichel“ spätestens seit dem gleichnamigen Hit eine Eigenständigkeit erreicht hat und eben gerade nicht als eine Kombination aus einem „Michel“ im Zusammenhang mit „Holz“ verstanden wird. Die Figur des „Holzmichel“ ist überdies eine Figur, die aus alten Volksliedern bekannt ist. Schließlich hätte man auch den Gedanken heranziehen können, dass „Michel“ als Personifikation der Deutschen wie die französische „Marianne“ ohnehin etwas anderes ist als ein gewöhnlicher Name – insoweit wäre die Kennzeichnungskraft für deutsche Getränke nämlich unter Umständen herabgesetzt.
Alles in allem wird die Verteidigung in Verfahren, bei denen die ältere in der jüngeren Marke enthalten ist, zumindest vor dem HABM und EuG durch die Entscheidung nicht einfacher werden. Anmeldern bleibt insoweit nur, die Kennzeichnungskraft des übernommenen Bestandteils „herunterzuschreiben“. Außerdem sollte die selbstständig kennzeichnende Stellung des übernommenen Bestandteils angegriffen werden.