Filesharing: Haftung für gewerblich genutztes WLAN wird durch den EuGH geklärt

Eine nicht nur in Deutschland umstrittene Frage wird nun grundsätzlich geklärt: Haftet der Anbieter eines gewerblichen WLANs für Urheberrechtsverletzungen, die über dieses Netz begangen werden? Das LG München I hat hierzu dem EuGH einige Fragen zur Beantwortung vorgelegt (LG München I, Beschluss vom 18.09.2014 – 7 O 14719/12). Das höchste europäische Gericht wird damit eine grundsätzliche Entscheidung treffen, die weit reichende Folgen für die Verfolgung sog. Filesharing-Fälle haben kann. Zwischenzeitlich hat der Generalanwalt seine Schlussanträge gestellt, die auf eine weitgehende Haftungsfreiheit für den WLAN-Betreiber abzielen (Schlussanträge vom 16.03.2016 – C-484/14).

Im konkreten Fall ging es um ein offenes WLAN, das – bewusst – ohne jede Sicherung durch Passwörter o.ä. betrieben wurde. Auch eine Anmeldung der Nutzer war nicht erforderlich. Über den Anschluss kam es in der Folge zu Urheberrechtsverletzungen über Internet-Tauschbörsen.

Auf die Abmahnung der Rechteinhaber konnte der Anschlussinhaber glaubhaft machen, dass nicht er selbst die Verstöße begangen hatte. Ein anderer möglicher Täter ließ sich indes nicht ausfindig machen.

Bei privaten Internetanschlüssen gilt insoweit die Regel, dass eine Vermutung für die Täterschaft des Anschlussinhabers besteht. Diese kann nur widerlegt werden, wenn der Anschlussinhaber darlegt, dass 1. auch andere Personen regelmäßig Zugriff auf den Anschluss hatten und somit als Täter in Frage kommen. 2. muss der Anschlussinhaber seinen Anschluss gegen den unbefugten Zugriff ausreichend sichern und 3. grundsätzlich nachweisen, dass er befugte Mitnutzer ausreichend belehrt hat, wie der Anschluss zu nutzen sei.

Es wird seit Längerem diskutiert, ob diese Grundsätze auch für gewerbliche Hotspots gelten können. Das AG Hamburg hatte beispielsweise entschieden, dass eine Haftung für Hotelbetreiber und Anbieter von Ferienwohnungen ausscheide (vgl. unseren Blog unter http://anwaltskanzlei-online.local/2014/09/19/filesharing-keine-haftung-fuer-wlan-in-hotels-und-ferienwohnungen/). Das Gericht berief sich hierzu auf die Vorschrift des § 8 TMG, die eine Haftungsfreistellung für Anbieter vorsieht, die lediglich den Zugang zu einem Kommunikationsdienst vermitteln.

Das LG München I sieht nun ebenfalls die Möglichkeit, das diese Vorschrift – die auf europarechtliche Vorgaben zurückgeht – eine Haftung des Netzbetreibers ausschließt. Allerdings gibt das Gericht auch zu erkennen, dass es eine solche Privilegierung für unangemessen hält und fragt den EuGH daher auch danach, ob nicht aus anderen Gründen eine Haftung für offene und ungesicherte WLANs bestehen müsse.

Der EuGH wird eine schwierige Interessenabwägung zu treffen haben. Einerseits haben die strengen Regeln für die Haftung der Anschlussinhaber bislang in Deutschland die Verbreitung kostenloser Internet-Accesspoints stark beschränkt, was nicht im Sinne der Verbraucher ist. Zudem ist es den Anbietern solcher offener Netze weder zumutbar, noch ist es vor dem Hintergrund des Fernmeldegeheimnisses rechtlich zulässig, die Kommunikation der Nutzer permanent zu überwachen. Andererseits sind auch die berechtigten Interessen der Urheberrechtsinhaber zu berücksichtigen, die gegen Rechtsverletzungen nicht schutzlos gestellt werden können. Im Übrigen würde es einen Wertungswiderspruch bedeuten, wenn Gewerbetreibende haftungsrechtlich besser gestellt würden als Privatpersonen.

Die Entscheidung des EuGH darf deshalb mit Spannung erwartet werden.

Weitere Beiträge

Datenschutzrechtliche Verantwortlichkeit, AVV und AGB- Recht im Spiegel der neueren EuGH- Rechtsprechung zur Cyberkriminalität  Teil I

Inhalt: Mir geht’s in diesem Blog darum, ganz kurz die Rechtsprechung des EuGH zum Thema Schadensersatz und Cyberkriminalität darzustellen und auf die Auswirkungen dieser Rechtsprechung für die IT- Unternehmen einzugehen, die als Auftragsverarbeiter für die Auftraggeber fungieren. Insbesondere beschäftigt mich

Mehr lesen »
Nach oben scrollen