eCommerce: Verbraucher können Händler leichter in ihrem Heimatland verklagen

eCommerce kennt keine Staatsgrenzen – im Verkehr mit Verbrauchern sollten Anbieter dennoch vorsichtig sein, wie grenzenlos sie ihre Angebote ausgestalten. Im Streitfall drohen sonst unangenehme und unter Umständen sehr teure Prozesse vor ausländischen Gerichten. Denn der EuGH hat die Voraussetzungen für Verbraucherklagen in deren Heimatland entscheidend herabgesetzt (Urteil vom 17.10.2013 – C-218/12).

Um Verbraucher in Verträgen mit ausländischen Händlern zu schützen, hat die EU bereits im Jahr 2001 die sog. Brüssel I-Verordnung erlassen. Darin ist in Art. 15 u.a. geregelt, dass Verbraucher ausländische Händler stets in ihrem eigenen Heimatland verklagen können. Voraussetzung ist, dass der Händler entweder im Land des Verbrauchers selbst eine Tätigkeit ausübt oder aber – und darauf kam es im hier entschiedenen Fall an – seine Tätigkeit (auch) auf dieses Land ausrichtet.

Wann aber richtet ein Unternehmer seine Tätigkeit (auch) auf einen anderen Mitgliedsstaat aus? Und muss diese Ausrichtung genau der Grund dafür gewesen sein, dass der Verbraucher den Vertrag mit dem ausländischen Unternehmen abschloss? Das war bislang europaweit nicht einheitlich beurteilt worden.

Für eine Ausrichtung der unternehmerischen Tätigkeit auf einen anderen Mitgliedsstaat können verschiedene Indizien sprechen. Klar ist die Sache, wenn das Unternehmen bewusst und zielgerichtet Werbung in einem anderen Mitgliedsstaat macht, also z.B. Zeitungsannoncen oder Radiospots schaltet oder Flyer verteilen lässt. Im Internet kann z.B. ein mehrsprachiges Angebot ein deutlicher Hinweis darauf sein, dass auch und gerade Kunden in den jeweiligen Ländern mit angesprochen werden sollen. Auch Zahlungsmöglichkeiten in unterschiedlichen Währungen, also z.B. in dänischen Kronen oder polnischen Zloty sind ziemlich eindeutig.

Der nun entschiedene Fall aber lag anders: Hier ging es um einen französischen Gebrauchtwagenhändler aus dem deutsch-französischen Grenzgebiet, der auf seiner Website u.a. auch eine deutsche Mobilfunknummer angegeben hatte. Ein deutscher Verbraucher erfuhr von Bekannten von dem Angebot des Unternehmers und kaufte dort ein Auto. Die Website hatte er überhaupt nicht zur Kenntnis genommen, geschweige denn die deutsche Nummer gewählt. Als es später zum Streit kam, klagte der deutsche Kunde in Deutschland.

Bislang hatten deutsche Gerichte angenommen, die Ausrichtung des Angebots in seiner konkreten Form müsse ursächlich für den Vertragsabschluss gewesen sein. Das war hier erkennbar nicht der Fall. Das LG Saarbrücken hatte Zweifel an der Richtigkeit der deutschen Rechtspraxis und legte den Fall dem EuGH zur Entscheidung vor.

Der entschied nun, dass 1. bereits die Tatsache, dass der Gebrauchtwagenhändler im Grenzgebiet ansässig sei und auf seiner Website eine deutsche Telefonnummer angebe ausreiche, um eine Ausrichtung seiner Angebote (auch) auf Deutschland anzunehmen, und 2. diese Ausrichtung gerade nicht kausal für den Vertragsschluss gewesen sein müsse. Im Einzelfall die Ursächlichkeit nachzuweisen, sei für Verbraucher häufig gar nicht möglich. Schließlich informierten sie sich auf vielerlei Wegen über Angebote, gerade im Internet. Die Brüssel I-Verordnung sehe auch kein solches Kausalitätserfordernis vor.

Die Entscheidung bringt Verbrauchern entscheidende Erleichterungen und stellt Unternehmer vor neue Herausforderungen. Denn Prozesse vor ausländischen Gerichten bringen schon wegen der Notwendigkeit der Übersetzung teils erhebliche Kosten mit sich. Insbesondere Webangebote sollten deshalb auf „versehentliche“ Hinweise auf eine Ausrichtung (auch) ins EU-Ausland geprüft werden – dies gilt auch und gerade für Unternehmen aus dem Grenzgebiet. Denn hier reichen nach der neuen EuGH-Linie bereits kleine Indizien aus, um eine Auslandsausrichtung zu bejahen. Kommt es zum Streit mit ausländischen Verbrauchern, sollte schon aus Kostengründen eine außergerichtliche Einigung angestrebt werden.

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