Lässt ein Arbeitgeber ohne hinreichenden Grund einen krankgeschriebenen Arbeitnehmer durch eine Detektei überwachen, verstößt diese Observierung gegen den Beschäftigtendatenschutz, § 32 BDSG. Der Arbeitnehmer hat deswegen u.U. einen Anspruch auf Schmerzensgeld gegen den Arbeitgeber. Das entschied das LAG Hamm (Urteil vom 11.07.2013 – 11 Sa 312/13).
Im konkreten Fall hatte sich eine Arbeitnehmerin zunächst für einige Tage wegen einer Bronchitis mit Verdacht auf Rippenfellentzündung durch ihren Hausarzt, sodann von einer Fachärztin wegen eines Bandscheibenvorfalls unmittelbar danach für annähernd zwei Monate krankschreiben lassen. Vorausgegangen war der ersten Krankschreibung eine Auseinandersetzung mit dem Geschäftsführer wegen einer nicht zu dessen Zufriedenheit ausgeführten Arbeitsleistung. Außerdem hatte die Arbeitnehmerin – entgegen ihrer ursprünglichen Ankündigung – während der ersten Tage der Krankschreibung nicht im Büro vorbeigeschaut.
Diese Umstände weckten bei dem Arbeitgeber den Verdacht, dass die Krankschreibung zu Unrecht erfolgt sei und die Arbeitnehmerin tatsächlich gar nicht krank sei. Deswegen beauftragte der Arbeitgeber eine Detektei mit der Observation der Mitarbeiterin. Die Detektei fertigte daraufhin in den letzten Wochen der Krankschreibung mehrere Observationsberichte und zeichnete außerdem verschiedene Begebenheiten mit der Videokamera auf. Eine Videosequenz, welche die Arbeitnehmerin vier Tage vor Ende der insgesamt achtwöchigen Krankschreibung wegen eines Bandscheibenvorfalls beim Betreten eines Waschsalons zeigte – die Arbeitnehmerin war danach offenbar in der Lage, schwere Wäschekörbe zu heben und zu tragen – diente dem Arbeitgeber als Anlass für eine fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung.
Die Kündigungsschutzklage der Arbeitnehmerin hatte Erfolg. Außerdem billigte ihr das Landesarbeitsgericht in zweiter Instanz eine Geldentschädigung wegen der unberechtigten Videoüberwachung i.H.v. 1000 Euro zu. Hinsichtlich dieses Schmerzensgeldes ist das Verfahren noch nicht abgeschlossen, sondern wird noch vom Bundesarbeitsgericht entschieden.
Es ist allerdings nicht zu erwarten, dass das BAG zu einer anderen Entscheidung hinsichtlich der Zulässigkeit der Observationsmaßnahmen kommt. Denn schon einmal hatten die Erfurter Richter entschieden, dass eine heimliche Videoüberwachung von Arbeitnehmern im öffentlichen Raum nur als letztes Mittel dann erlaubt sein kann, wenn keine andere Maßnahme zur Verfügung steht, um einem konkret bestehenden Verdacht auf die Begehung von Straftaten nachzugehen.
Ähnliche Voraussetzungen legt nun auch das LAG Hamm an, das den Fall – anders als damals das BAG – nach der heute geltenden Rechtslage, mithin § 32 BDSG zu beurteilen hatte. § 32 BDSG regelt ganz allgemein die Voraussetzungen für den Beschäftigtendatenschutz. Danach ist die Datenverarbeitung einmal zulässig, soweit dies für die Entscheidung über die Begründung eines Arbeitsverhältnisses sowie nach dessen Begründung für die Durchführung oder Beendigung des Arbeitsverhältnisses erforderlich ist, § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG.
Für die Bekämpfung von Straftaten sieht § 32 Abs. 1 Satz 2 eine spezielle Regelung vor: Danach ist die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von personenbezogenen Daten in diesem Zusammenhang nur zulässig, wenn zu dokumentierende tatsächliche Anhaltspunkte den Verdacht begründen, dass der Arbeitnehmer im Beschäftigungsverhältnis Straftaten begeht. Diese Voraussetzungen waren vorliegend nach der nachvollziehbaren Begründung des LAG Hamm nicht erfüllt.
Denn zwar wäre die unberechtigte Krankschreibung als Betrug i.S.d. § 263 StGB ohne Weiteres als Straftat anzusehen. Allerdings lagen im konkreten Fall keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass den ärztlichen Attesten keine tatsächliche Erkrankung der Mitarbeiterin zugrunde lag. Die beiden unterschiedlichen Diagnosen sowie die Tatsache, dass die Atteste von zwei unterschiedlichen Ärzten (Hausarzt für die Bronchitis, Fachärztin für den Bandscheibenvorfall) ausgestellt worden waren, rechtfertige diese Annahme nicht. Ebenso wenig reiche die Tatsache aus, dass es kurz vor der ersten Krankschreibung zu einer Auseinandersetzung zwischen der Arbeitnehmerin und dem Geschäftsführer gekommen war.
Einem ärztlichen Attest komme außerordentlich hoher Beweiswert zu. Dieser könne nur im Ausnahmefall erschüttert werden, z.B. dadurch, dass der Mitarbeiter nach einem Streit seine Krankschreibung praktisch androht und diese dann auch erfolgt. Weiteres Indiz kann die wiederholte kurzfristige Krankschreibung durch unterschiedliche Ärzte sein (Ärztehopping). Schließlich kann der Verdacht dadurch gerechtfertigt sein, dass der Arbeitnehmer während der Krankschreibung einer Nebentätigkeit nachgeht.
Selbst wenn aber diese Voraussetzungen vorliegen, darf die heimliche Videoüberwachung nicht ohne Weiteres eingesetzt werden. Zunächst einmal steht dem Arbeitgeber das Mittel der Untersuchung durch den medizinischen Dienst der Krankenkassen zu. Im Übrigen könnte der Detektiv ohne Videoobservation eine Überwachung durchführen und die Ergebnisse dokumentieren. Er stünde dann ggf. als Zeuge für die Kündigungsgründe zur Verfügung.
Danach war die Videoüberwachung der Mitarbeiterin im vom Gericht zu beurteilenden Fall rechtswidrig. Das Gericht wertete dies als schweren Verstoß gegen die Persönlichkeitsrechte, der auch einen Geldentschädigungsanspruch auslöse, und sprach der Arbeitnehmerin daher ein Schmerzensgeld i.H.v. 1000 Euro zu.