Grafisch gestaltete Einzelbuchstaben können auch bei weitgehend abweichender Darstellung verwechslungsfähig sein. Dies entschied das EuG in einer von der bisherigen Spruchpraxis abweichenden Einzelentscheidung (Urteil vom 05.11.2013 – T 378/12) und schafft damit Rechtsunsicherheit, wo bislang Klarheit herrschte.
Gerade einmal 13 Monate alt war das Urteil des EuGH zur Verwechslungsfähigkeit von aus Einzelbuchstaben gestalteten Bildmarken (Urteil vom 10.10.2012 – C-611/11). Darin hatte das höchste europäische Gericht betont, dass zwei für identische oder ähnliche Waren angemeldete Marken dann nicht verwechslungsfähig sind, wenn sie zwar aus demselben Einzelbuchstaben bestehen, dieser aber jeweils abweichend grafisch gestaltet ist. Allein aus der Identität der Buchstaben, so der EuGH damals, lasse sich eine Verwechslungsgefahr nicht begründen.
Diesen jüngst begründeten Grundsatz stellt das EuG in seiner neuen Entscheidung nun wieder in Frage. Darin ging es um zwei für Bekleidung angemeldete Marken, die jeweils aus dem Buchstaben „X“ in unterschiedlicher Gestaltung bestanden. Beide Buchstaben wiesen allenfalls marginale Ähnlichkeit auf, die vor allem darin bestand, dass an der Kreuzungsstelle der beiden X-Balken eine Aussparung vorhanden war, die als weiße Linie sichtbar war. Weder Strichstärke noch Form waren annähernd ähnlich.
Die klangliche und konzeptionelle Ähnlichkeit reichte den Richtern des EuG dennoch aus, um von einer Verwechslungsgefahr auszugehen. Denn in der Bekleidungsbranche sei es durchaus üblich, dass Marken – ausgehend von einer Grundform – für unterschiedliche Produktlinien in verschiedener individueller Ausprägung genutzt würden. Aus diesem Grunde seien die optischen Abweichungen nicht geeignet, die Verwechslungsgefahr zu beseitigen.
Auch diese Begründung bricht mit früheren Entscheidungen des EuGH, der vor Jahren betont hatte, dass solche Untermarken regelmäßig eines dominierenden Merkmals bedürften, das dann in Varianten verwendet würde. Die bloße Verwendung eines Buchstabens kann eine solche Dominanz aber nicht herstellen. Es widerspräche auch der Idee einer Bildmarke und überhaupt dem Grundsatz der Abgrenzbarkeit einer Marke, wollte man den Markenschutz derart ausdehnen, dass optisch vollkommen abweichende Gestaltungen derselben Marke zugeordnet werden.
Es bleibt abzuwarten, ob die Entscheidung die Spruchpraxis des HABM nachhaltig beeinflussen wird oder ob es bei einer – wenig überzeugenden – Einzelfallentscheidung bleibt. Setzte sich die neue Linie des EuG durch, dürfte die grafische Gestaltung von Einzelbuchstaben ungeachtet der individuellen Gestaltung künftig kaum noch gegen andere, aus demselben Buchstaben gebildete Marken durchzusetzen sein.