Kehrtwende in Köln: Das LG Köln hat in mehreren zeitgleich veröffentlichten Beschwerdeentscheidungen seine Beschlüsse wegen der sog. Redtube-Abmahnungen korrigiert. Danach ist das Streamen von Filmen im Internet keine Urheberrechtsverletzung (z.B. Beschluss vom 24.01.2014 – 209 O 188/13).
Darum ging’s: Zum Jahresende 2013 wurden massenhaft Abmahnungen wegen vermeintlicher Urheberrechtsverletzungen (Filesharing) verschickt. Die abmahnenden Kanzleien vertraten die Schweizer The Archive AG und behaupteten, die Empfänger hätten auf dem Porno-Portal Redtube urheberrechtlich geschützte Filme in rechtsverletzender Art und Weise angesehen. Um an die Namen und Adressen der Internetnutzer zu gelangen, waren zunächst die IP-Adressen ermittelt worden. Beim LG Köln stellten die Kanzleien sodann auf § 101 Abs. 9 UrhG gestützte Anträge auf Auskunft über die Identität derjenigen Telefon-Anschlussinhaber, denen die fraglichen IP-Adressen zugeordnet waren. Einige Kammern des LG Köln gaben den Anträgen statt, und die Abmahnwelle kam ins Rollen.
Diese Entscheidungen verletzten die Anschlussinhaber in ihrem Grundrecht auf das Fernmeldegeheimnis, entschied in der Beschwerdeinstanz dasselbe Gericht. Dabei spart das LG Köln nicht mit Kritik an dem Vorgehen der Abmahnanwälte. Offenbar sehen sich die Richter durch deren Vorgehen getäuscht.
Denn in den Anträgen war von einem „Download“ der Filme die Rede gewesen. Tatsächlich aber ging es, wie die späteren Abmahnungen zeigten, gar nicht um das Herunterladen, also das dauerhafte Speichern auf der Festplatte des eigenen Rechners, sondern um das sog. Streaming. Dabei werden die Daten lediglich vorübergehend im Cache des Internet-Browsers gespeichert.
Diese vorübergehende Speicherung, die lediglich das bloße Ansehen möglich machen soll, ist nach Auffassung des Gerichts aber überhaupt keine Urheberrechtsverletzung, sondern durch § 44a UrhG sogar ausdrücklich erlaubt. Diese Meinung haben auch wir von Kramer&Partner in den von uns betreuten Filesharing-Verfahren immer vertreten.
Darüber hinaus gibt das LG Köln nun auch all den Kritikern Recht, die das Verfahren zur Ermittlung der IP-Adressen als undurchsichtig, womöglich sogar seinerseits kriminell bezeichnet haben. Denn, so die Richter, es sei nach wie vor unklar, auf welche Art und Weise man an diese gelangt sei.
Die Beschlüsse sind zwar noch nicht rechtskräftig, die Frage der Rechtswidrigkeit bzw. Rechtmäßigkeit des Streamings noch nicht abschließend beantwortet. Nichtsdestotrotz sind die Entscheidungen des LG Köln sehr zu begrüßen. Denn sie eröffnen auch in den übrigen Redtube-Fällen ganz neue Verteidigungswege. So werden sich Abgemahnte leichter auf Beweisverwertungsverbote stützen können, weil die IP-Adressen auf unklare Art und Weise ermittelt wurden.
Übrigens: Der UK Supreme Court hat bereits am 17.04.2013 entschieden, dass das Streaming und die damit verbundene temporäre Vervielfältigung urheberrechtlich geschützter Inhalte keine Rechte der Urheber verletze (Az. [2013] UKSC 18). In einer sehr kenntnisreich und sorgfältig begründeten Entscheidung zu dem dem $ 44a UrhG zugrundeliegenden Art. 5 Abs. 1 der EU-Richtlinie 2001/29 führte das Gericht damals aus, dass es gerade Sinn und Zweck der Vorschrift sei, Internet-Nutzer in die Lage zu versetzen, online urheberrechtlich geschütztes Material anzusehen. Deswegen sei es zwingend, dass die notwendigen technischen Vorgänge – nämlich die temporäre Vervielfältigung – diesen nicht zum Vorwurf gemacht werden könnten. Die Grenze verlaufe dort, wo Daten eben nicht nur temporär gespeichert würden, sondern dauerhaft auf den Rechner heruntergeladen, so dass eine aktive Löschung erfolgen müsse, um sie wieder zu vernichten. Erst dies sei ein Urheberrechtsverstoß, der nicht mehr durch den Art 5 Abs. 1 der Richtlinie gedeckt sei. Letztlich müsste das Betrachten urheberrechtlich geschützter Inhalte im Internet so bewertet werden wie im Offline-Bereich, unabhängig von den technischen Notwendigkeiten. Es bleibt zu wünschen, dass deutsche Gerichte zu eben dieser Einschätzung auch gelangen werden.