Stimmt ein Markeninhaber einer Verbreitung von Artikeln unter derselben Marke durch ein anderes Unternehmen zu, ist er an diese Zustimmung nicht gebunden. Ein solches Verständnis widerspräche dem Ausschließlichkeitsrecht aus der eingetragenen Marke, urteilte jetzt der EuGH (Urteil vom 19.09.2013 – C-661/11). Schadensersatzansprüche gegen den widerrufenden Markeninhaber bei unberechtigter Untersagung bleiben nach nationalem Recht aber möglich.
Der Entscheidung liegt – stark vereinfacht – Folgendes zugrunde: Zwei belgische Unternehmen kauften die Insolvenzmasse eines Lederwarenherstellers auf. Während sich der eine Käufer auf Herstellung und Vertrieb sogenannter Kleinlederwaren beschränkte, wollte sich das zweite Unternehmen lediglich in den Bereichen Handtaschen und Schuhe. Beide Unternehmen verwendeten für ihre Produkte identische oder sehr ähnliche Warenzeichen. Eine Zusammenarbeit, die über einige Jahre funktionierte.
Daran änderte zunächst auch die Tatsache nichts, dass eines der Unternehmen sich über eine Benelux-Marke – also eine Marke, die in den Niederlanden, Belgien und Luxemburg gilt – umfassende Rechte für das gemeinsam verwendete Kennzeichen für sämtliche Lederwaren sicherte. Im Rahmen der Zusammenarbeit wurde sogar ausdrücklich vereinbart, dass das zweite Unternehmen das Zeichen weiterhin für seine Handtaschen und Schuhe verwenden dürfe.
Dann allerdings verschlechterte sich das Verhältnis zusehends. Ein Prozess, an dessen Ende der Markeninhaber nicht länger wollte, dass das zweite Unternehmen noch Artikel mit der Marke vertreiben dürfte. Dieses wehrte sich dagegen mit dem Hinweis auf die Vereinbarung zwischen den Parteien, welche doch genau das erlaube – und zwar auf unbestimmte Zeit. Nach belgischem Recht sei das Verhalten als rechtsmissbräuchlich zu werten. Deswegen könne das Markenrecht der Benutzung nicht entgegengehalten werden.
Vor den belgischen Gerichten erhielt das zweite Unternehmen mit dieser Verteidigungslinie zunächst Recht. Der Kassationsgerichtshof legte die Sache dann aber dem EuGH zur Entscheidung vor.
Dieser führte aus, dass die entsprechenden europarechtlichen Vorschriften keinen Spielraum für nationale Regelungen ließen, wenn dies nicht ausdrücklich in der Richtlinie selbst abweichend bestimmt werde. Eine solche Bestimmung für möglicherweise rechtsmissbräuchliches Verhalten enthalte die Richtlinie aber gerade nicht. Deswegen könne der Ausübung des Markenrechts nichts entgegengesetzt werden, insbesondere nicht eine frühere Zustimmung zu einer gemeinsamen Verwertung. Der Markeninhaber sei frei darin, eine solche Zustimmung zu widerrufen.
Eindeutig sei aber auch, so der EuGH weiter, dass nationale Gerichte durch dieses Verständnis der Richtlinie nicht daran gehindert seien, Schadensersatzansprüchen gegen den unbegründeten Widerruf einer solchen Zustimmung zuzusprechen.
In der Praxis bedeutet dies, dass der Widerruf einer solchen Zustimmung zur gemeinsamen Verwertung z.B. im Rahmen von Abgrenzungs- oder Vorrechtsvereinbarungen nunmehr zwar ohne Zweifel möglich ist. Im Hinblick auf mögliche Schadensersatzansprüche wird ein solcher Widerruf aber dennoch nur in begründeten Fällen ratsam sein, also etwa dann, wenn durch vertragsbrüchiges Verhalten der Vertragsgegenseite oder durch einen Qualitätsabfall der von dort erbrachten Leistungen oder angebotenen Waren das Festhalten an der gemeinsamen Verwertung unzumutbar wird.