Grundsätzlich gilt: Gestalterisch (nahezu) identische Produkte der Konkurrenz muss ein Unternehmen nicht dulden. Das Wettbewerbsrecht verbietet solche Plagiate. Eine wichtige Ausnahme hat der BGH in gleich zwei Entscheidungen im Jahr 2013 aufgestellt: Haben die Abnehmer ein besonderes Interesse an einer auch optischen Kompatibilität, können Nachahmungen zulässig sein.
Wie oft die Richter des 1. Senats während der Beratungen die Karlsruher Supermärkte aufsuchten, ist nicht überliefert. Eines aber haben sie herausgefunden: Die Regalsysteme, von denen aus die Waren in die Einkaufswagen der Kunden wandern, sehen ebenso wie die Wagen selbst meist gleich aus. Sind sie auch, denn in beiden Feldern haben sich seit 30 Jahren mehr oder weniger dieselben Hersteller große Teile des Marktes gesichert.
Und in beiden Märkten drängen nun Konkurrenzprodukte auf den Markt, die den Originalen frappierend ähnlich sehen und nur von Experten von diesen unterschieden werden können. Das Argument der Nachahmer: Nur wenn die Produkte mit den in Funktionalität und Marktdurchdringung einmaligen Klassikern kompatibel seien, sei für neue Unternehmen überhaupt ein Marktzutritt möglich. Denn, so die Argumentation weiter, wäre man auf vollkommen neuartige Gestaltungen verwiesen, ließe sich nur dann ein Geschäft machen, wenn ein Laden komplett neu eingerichtet oder die gesamte Einkaufswagen-Flotte ausgetauscht werden solle.
Das überzeugte die BGH-Richter. Sie urteilten: „Haben die Abnehmer wegen eines Ersatz- und Erweiterungsbedarfs ein Interesse an der Verfügbarkeit in der äußeren Gestaltung mit den Erzeugnissen des Originalherstellers kompatiblen Konkurrenzprodukten, dürfen Wettbewerber im Regelfall nicht […] auf abweichende Produktgestaltungen verwiesen werden, die die Verkäuflichkeit ihrer Produkte im Hinblick auf den Ersatz- und Erweiterungsbedarf beim Originalprodukt einschränken.“ (Urteil vom 24.01.2013 – I ZR 136/11 – Regalsystem; vgl. auch Urteil vom 17.07.2013 – I ZR 21/12 – Einkaufswagen III)
In solchen Fällen, so die Richter weiter, können den Hersteller der Nachahmerprodukte in der Regel auch nicht zugemutet werden, ihre Waren durch deutlich für Jedermann erkennbare Hinweise als nicht vom Originalhersteller stammend abzugrenzen.
Lediglich im Rahmen der Werbung für die Produkte müsste deutlich erkennbar bleiben, dass es sich um ein vom Original verschiedenes Produkte handele, das nicht unbedingt dieselben qualitativen Eigenschaften wie dieses habe. Damit würde aber dem wettbewerbsrechtlich geforderten Herkunftsnachweis Genüge getan.