Einleitung
Die Abgrenzung zwischen Werkvertrags- und Dienstvertragsrecht spielt für die IT an verschiedenen Stellen eine große Rolle.
Das IT Unternehmen empfindet eine Qualifikation als Dienstvertrag zu Recht als vorteilhaft. Im Dienstvertragsrecht gibt es keine Gewährleistung, der Lohn ist auch dann zu zahlen, wenn kein bestimmter Erfolg eintritt. Der Kunde wiederrum empfindet diese Einordnung aus den gleichen Gründen als problematisch.
Das Problem stellt sich insbesondere in Softwareprojekten, also dann, wenn der Leistungsinhalt zum Zeitpunkt der Vertragserstellung nicht abschließend geklärt ist. Hier erscheint die sich aus dem Werkvertragsrecht ergebende quasi Garantiehaftung des Softwareherstellers als unfair. Wie soll man für einen Erfolg haften, den selbst der Kunde nicht klar umreißen kann?
Der Grundsatz ist ganz einfach: Ist ein bestimmter Erfolg geschuldet und hat der ITler die Projektverantwortung für das Erreichen dieses Erfolgs, so kommt Werkvertragsrecht zur Anwendung.
Grundsatz
Werkverträge werden dadurch gekennzeichnet, daß mit der Leistung des Auftragnehmers einen bestimmten Erfolg herbeiführen will und der Auftragnehmer sich damit bereit erklärt, diesen Erfolg gegen Zahlung einer Vergütung zu erreichen. Schuldet der Auftragnehmer nur die Erbringung von Leistungen (sic Arbeit), ist Dienstvertragsrecht anwendbar. Nicht maßgeblich sind die Bezeichnungen der Verträge oder die rechtlichen Konstruktionen. Maßgeblich ist der gelebte Inhalt des Vertrags und der Zweck, dem der Vertrag dient. Will der ITler kein Werkvertragsrecht zur Anwendung gelangen lassen, muß er dies auch ganz deutlich in der Leistungsbeschreibung des Projekts so angeben. Eine Bezeichnung in dem Vertrag als „Dienstvertrag“ mag ein Indiz für das Bestehen eines bestimmten Willens des ITlers sein. Mehr aber auch nicht. Auch die Art und Weise der Bezahlung spielt keine Rolle. Fixed Price kann auf Werk- wie auf Dienstvertragsrecht hindeuten, ebenso wie eine Zahlung nach Aufwand. Angestellte arbeiten auf der Basis fixed Price und hier kommt Dienstvertragsrecht zur Anwendung. Es kommt nur darauf an, welcher wirtschaftliche Erfolg vereinbart war und ob ein bestimmtes Werk geschuldet ist und ob der Auftragnehmer das Risiko übernommen hat, für das Erreichen des Erfolgs einzustehen.
Ausnahme 1: Projekthoheit beim Kunden
Die erste Ausnahme besteht dann, wenn der Kunde die Projekthoheit hat, die Einzelheiten der Leistung also nicht von dem Auftragnehmer bestimmt werden sondern von dem Kunden selbst. Solche Fälle gibt es z.B. dann, wenn der Software Architekt des Kunden den Programmierern des Auftragnehmers Vorgaben für die Realisierung eines bestimmten Erfolgs macht. Hier gilt Dienstvertragsrecht, auch wenn das Erreichen eines bestimmten Erfolgs vom Kunden gewollt ist. Denn die Mitarbeiter des Auftragnehmers können angesichts dessen, daß sie ja nur umsetzen was der Softwarearchitekt des Kunden vorgegeben hat nicht für den Erfolg einer Leistung einstehen.
Anders ist wieder zu entscheiden, wenn die einzelnen Aufgaben, die die Mitarbeiter des Auftragnehmers zu realisieren haben, einzelne Projektabschnitte selbstverantwortlich umzusetzen haben und ihnen hierfür auch konkrete Aufträge erteilt werden. Hier liegt kein Werkvertrag über das Gesamtprojekt, sondern nur ein Werkvertrag für das Teilprojekt vor. Voraussetzung hierfür ist aber, daß das Teilprodukt als solches klar abgrenzbar ist und im Rahmen der Beauftragung auch als solches definiert wurde (vgl. Redeker in Softwareerstellungsverträge, 2.A, Rz 63f).
Ausnahme 2: Rahmenverträge und Beauftragung von Dienstleistungskontigenten
Die zweite Ausnahme besteht dann, wenn die Parteien Rahmenverträge abgeschlossen haben in deren Gefolge der Auftraggeber sogenannte Dienstleistungskontigente beauftragt. Werden hier die Mitarbeiter des Auftragnehmers gemeinsam mit Mitarbeitern des Auftraggebers tätig und sind die einzelnen Leistungen des Auftragnehmers nicht von denen des Auftraggebers abgrenzbar, handelt der Auftragnehmer nicht eigenverantwortlich, dann hat man es mit Dienstvertragsrecht zu tun. Insofern ist es richtig zu behaupten, daß einige Agile Projektmethodiken die Anwendbarkeit von Dienstvertragsrecht bedingen.
Fragestellung Scrum
Ob Scrum die Anwendbarkeit von Werk- oder Dienstvertragsrecht bedingt ist danach zu beantworten, ob die einzelnen Sprints die oben genannten Kriterien der deutlichen Abgrenzbarkeit der Teilprojekte erfüllen. Auch hier kommt es auf den Inhalt an, der dem einzelnen Sprint zugrundeliegt. Eine eindeutige Abgrenzung kann nicht abstrakt gegeben werden. Der Auftraggeber ist aufgrund der rechtlichen Konsequenzen gut beraten, die einzelnen Sprints als Teilgewerke zu beauftragen und diese sukzessive abzunehmen. In der Praxis wird oft anders gearbeitet: Viele Dinge werden beauftragt bevor die Frage nach der Bedeutung des einzelnen Auftrags für den Gesamtkontext beanwortet wird und hier genau liegen die Gefahren für das Projekt. Nicht so relevanz ist die Bedeutung der Verantwortung für das Gesamtprojekt. PLA´s oder PA dienen der Kontrolle von Projekten und nicht zur Erfüllung von einzelnen Leistungen, die einer der Parteien obliegen.
Fassung aktualisiert 29.12.13