§ 637 BGB regelt, daß dem Auftraggeber im Falle des Vorliegens eines Mangels nach erfolgter fruchtloser Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung ein Aufwendungsersatzanspruch zusteht. Zu Deutsch: Falls es der Auftragnehmer nicht schafft, den Mangel selbst innerhalb einer zumutbaren Zeitspanne zu beheben, kann der Auftraggeber einen Dritten – also auch ein Konkurrenzunternehmen – damit beauftragen, den Mangel zu beseitigen. Der Auftraggeber ist nicht verpflichtet, sich mit Ansprüchen auf Rücktritt und/oder Schadensersatz zu begnügen.Und dem Auftraggeber steht auch noch ein Anspruch auf Zahlung eines Zuschusses zu. Schafft man es also nicht selbst, den Mangel zu beheben, muß man Geld dafür bezahlen, daß die Konkurrenz arbeitet. Diese scheinbar absurde Konstellation kann ihre Berechtigung haben. Falls ich mir ein Haus bauen lasse und der von mir beauftragte Unternehmer nicht schafft, das Dach fertig abzudichten kann ich anstelle wieder auszuziehen auch ein anderes Unternehmen mit der Durchführung der Arbeiten beauftragen. Natürlich spielt dieser Hintergrund für die Durchführung von Projektverträgen keine große Rolle, es verdeutlicht aber daß die Norm durchaus einen verständlichen Gehalt aufweist. In Verträgen muß deshalb der Aufwendungsersatz ausgeschlossen oder zumindest begrenzt werden.
Der Anspruch spielt bei IT Verträgen zur Erstellung / Anpassung von Software in der Praxis keine große, weil die Ersatzvornahme durch andere Unternehmen nur dann praxisgerecht durchgeführt werden kann, wenn der Source so dokumentiert ist (Entwicklerdokumentation) daß ein Dritter auch wirklich mit vertretbarem Aufwand den Fehler beheben kann. Weil genau das nur selten der Fall ist, sieht man den Anspruch auf Aufwendungsersatz in der Softwarebranche selten in der praktischen Durchsetzung. Er ist aber ein schönes Drohmittel, insbesondere deshalb weil der Anspruch eine Verpflichtung zur Dekompilierung des Source beinhaltet. Dies ergibt sich aus § 69d UrhG.
Anders im Bereich des Anlagenbaus. Wo die Leistungen von Dritter Seite erbracht werden können, eben deshalb weil es sich nicht um Leistungen handelt, die großes Know How erfordern, kann der Aufwendungsersatzanspruch schnell große Höhen erreichen. Er kann den Wert des Auftrags übersteigen. Es nützt also überhaupt nichts, im Bietverfahren die Konkurrenz auszustechen, wenn man diesen Anspruch nicht begrenzen kann. Sonst verpflichtet man sich, ein Projekt mit einer Minimalmarge zu realisieren, scheitert und kann dann aus dem eigenem Geld die Konkurrenz zahlen. Solche Konstruktionen sollten gut überlegt werden.