Werkvertragsrecht: Mitwirkungspflichten des Bestellers Teil 1

Bei der Erstellung eines Werkes – gleich ob es sich hierbei um Software oder um eine Maschine handelt – ist es teilweise unerlässlich, dass der Besteller (also der Kunde) seinerseits bestimmte Leistungen erbringt. Das Gesetz bezeichnet diese Leistungen als Mitwirkungspflichten. Das Gesetz will in den  §§ 642 und 643 die Fälle regeln, in denen das Werk nicht abnahmefähig hergestellt wird, weil der Besteller (Kunde) seine Mitwirkungspflichten nicht richtig erfüllt. Solange der Kunde nicht mitwirkt, darf der Besteller gleichzeitig das von ihm eingesetzte Personal nicht für andere Kunden einsetzen; er muss ja damit rechnen, dass der Kunde jederzeit die Mitwirkungshandlung erbringt und er dann seine Arbeiten an dem ursprünglichen Werk wieder fortsetzen muss. Diese Einschränkung der Dispositionsfreiheit des Werkunternehmers ist im § 642 BGB abgebildet, nach dessen Inhalt eine Entschädigungsregelung getroffen wird für den Fall, dass der Kunde die ihm obliegenden Mitwirkungspflichten nicht rechtzeitig erfüllt. Sollte das Werk überhaupt nicht fertiggestellt werden können, weil der Kunde nicht mitwirkt, sind die §§ 643 und 645 BGB anwendbar. Danach hat der Unternehmer (Auftragnehmer) den Anspruch, sich durch eine Kündigung vom Vertrag zu lösen und unabhängig von dem Verschulden des Bestellers eine dem Wert des Teilgewerks angemessene Vergütung zu beanspruchen.

Voraussetzungen für den Entschädigungsanspruch nach § 642 BGB:

die erforderliche Mitwirkungshandlung muss unterlassen worden sein. Entscheidend ist die Erforderlichkeit der Mitwirkungshandlung. Entscheidend ist nicht, ob die Parteien die Mitwirkungshandlungen im Vertrag besonders vereinbart haben, sondern ob das Werk ohne der Vornahme und der Handlung nicht hergestellt oder zumindest der Herstellungsprozess nicht weiter realisiert werden kann. Damit ist der Auslegung, welche Mitwirkungshandlungen erforderlich sind, das Feld eröffnet.

Die Frage, ob eine Mitwirkungspflicht oder Mitwirkungsobliegenheit vorliegt, ist letztlich in erster Linie durch die Auslegung des Vertrags zu ermitteln. Von dem Vorliegen einer Mitwirkungspflicht muss dann ausgegangen werden, wenn der Unternehmer ein eigenes Interesse an der Fertigstellung des Werkes hat. Im Rahmen von Maschinenbau- oder Softwareprojekten wird dies regelmäßig dann der Fall sein, wenn Wartungsverträge abgeschlossen werden konnten, durch die der Unternehmer weitere Einnahmen erhoffte.

Der Entschädigungsanspruch nach § 642 BGB setzt den Annahmeverzug des Bestellers voraus. Die Voraussetzungen richten sich nach den §§ 293 ff. BGB. Der Annahmeverzug des Bestellers setzt voraus, dass der Unternehmer leistungswillig und leistungsbereit ist und seine Leistung anbietet. Dem Angebot zur Leistung steht die Aufforderung zur Vornahme der Mitwirkungshandlung gleich. Auf eine eigenständige Aufforderung des Unternehmers gegenüber dem Besteller erforderlich ist, ist durch Auslegung des Vertrags zu ermitteln. Ist die Vornahme der Mitwirkungshandlung nicht bereits vertraglich nach dem Kalender bestimmt, wird der Auftragnehmer eine ausdrückliche Aufforderung erklären müssen.

Ein Verschulden des Bestellers ist nicht erforderlich. Es ist also egal, ob der Kunden selbst das mangelnde Verhalten seiner Angestellten oder seiner Subunternehmer anführt; In jedem Fall kommt es auf ein Vertreten (Verschulden) des Auftraggebers nicht an.

Rechtsfolge des § 642 BGB ist der Anspruch des Unternehmers auf Zahlung einer angemessenen Entschädigung. Bei der Entschädigung handelt es sich nicht um einen umfassenden Schadensersatz. Zur Bemessung ist einerseits auf die Dauer des Verzugs und die Höhe der vereinbarten Vergütung abzustellen; sofern der Besteller mit der ihm obliegenden Leistungspflicht in Verzug gerät, kann der Unternehmer nicht in Verzug geraten. Er hat die Verspätung der Leistung nicht zu vertreten, da er ja von der Erbringung der Mitwirkungspflicht abhängig ist. Aber es droht eine Gefahr: Der Anspruch auf Herstellung einer mangelfreien Sache besteht auch dann, wenn die Mitwirkungspflichten des Kunden mangelhaft durchgeführt sind. Der Unternehmer haftet also dafür, dass die Leistungen des Kunden ordnungsgemäß erbracht werden. Im Zweifel sind hier Fragen der Kostentragungspflicht im Rahmen der Nacherfüllung zu diskutieren.

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