Warum überhaupt AGB für IT Unternehmen?

Ich werde häufig mit Kunden aus dem Vertrieb konfrontiert, die behaupten, man brauche keine AGB´s. Zur Erinnerung: Der Terminus AGB wird juristisch so besetzt, daß er alle einzelnen Klauseln und Verträge umfasst, die formuliert wurden, um mehr als einmal Verwendung zu finden. Praktisch alles, was man für den täglichen Bedarf verwendet, ist AGB.

Lange hätte man gebraucht, um den Kunden von den Vorzügen der eigenen Software zu überzeugen, den Wettbewerb aus dem Feld zu schlagen und dem Kunden das für den Vertragsabschluß erforderliche Vertrauen zu geben. Dann könnte man ihm nicht auch noch mit langen AGB´s kommen. Im IT würden die meisten DInge ohnehin immer wieder im Wege des Vergleiches geregelt. Die Frage der Haftungsbegrenzung sei von Juristen ohnehin nicht vernünftig zu beantworten, wohl eher eine Frage der Vermögensschadenshaftpfichtversicherung IT.

Anwälte mit Erfahrung auf dem Gebiet des IT-Rechts wissen, daß allein mit Formulierungen über Haftung und Gewährleistung nicht viel zu bewirken ist. Die eigentlichen Leistungen dieser Anwälte bestehen darin, Risiken durch Verfahrensabläufe und Beschreibungen von Abläufen zu reduzieren. Der wesentliche Sinn besteht darin, Verfahrensabläufe sinnvoll und transparent abzubilden, damit beide Parteien wissen, daß IT Leistungen beinahe immer von beiden Seiten erbracht werden müssen.

1.) Die Haftung

Die typische Erwartungshaltung meiner Kunden besteht im ersten Moment tatsächlich darin, daß Verträge sie vor all den rechtlichen Risiken schützen sollen, die bestehen. Das stimmt bezogen auf einzelne Klauseln wirklich nur bedingt. Die gesetzlichen Regelungen, die sich mit der Begrenzung von Gewährleistung und Haftung in Standardverträgen befassen, sollen den Verbraucher schützen und die dort gewonenen Wertungen sind – wie das Gesetz es sagt – dem Wesen nach auch auf den kaufmännischen Verkehr anwendbar. Der Gesetzgeber hat es schlicht unterlassen, ein spezielles Recht zu kodifizieren, das Grenzen von AGBs im kaufmännischen Verkehr festlegt. Als Folge dessen herrscht unter den Juristen eine heillose Unsicherheit darüber, wo die Grenzen sind. Oder anders: Im Falle eines Streits lässt sich eigentlich vieles gut argumentieren, um einen veritablen Vergleich zu erzielen. Für den Mandanten stellt sich hier wirklich die Frage, warum einen Anwalt beschäftigen, wenn ich der Haftung doch nicht kalkulierbar entrinnen kann und am Ende ein Vergleich steht?

Die Antwort besteht zum einen darin, daß Anwälte Ihnen die einzelnen Risiken typen- und summenmäßig benennen können und Ihnen einen Ratschlag geben können, welche Höhe und welchen Inhalt Ihre Haftpflichtversicherung eigentlich haben sollte. Und zum anderen: Ein guter Anwalt schult Sie über die unsichtbaren Risiken, die Sie mit vertretbaren Aufwand nicht einmal „googlen“ können.  Beispiel?

Sie erstellen ein Softwaresystem im Wege des Customizing. Der Kunde – ein Konzern – schüttelt sich wegen der Finanzkrise und storniert den Auftrag, nachdem ihre Leute 50 Manntage gearbeitet haben. Davon sind 50 gezahlt, aber der Auftrag lief über 150 Manntage und es sollte ein schöner Gewinn werden. Der ITler fragt, ob er einen Anspruch auf den entgagenen Gewinn hat, den er sich durch mühsame Vertriebsarbeiten verdient hatte. Antwort: Ja, wenn der Vertrag auf der Grundlage des Werkvertragsrecht durchgeführt wird. Ohne AGB, also ohne Vertrag, nicht. Denn nach der aktuellen Fassung des Gesetzes fallen Verträge über die Anpassung von Software unter das Kaufrecht. Dort wird für Fertiges gezahlt. Im Werkvertragsrecht kennt der Gesetzgeber das Phänomen und eine hat eine gesetzliche Regelung eingefügt, nach der auch der entgangene Gewinn anteilig zu zahlen ist, wenn die Angestellten nicht für ein anderes Projekt einsetzbar sind.

2.) Das Verfahren

Man braucht Verträge in erster Linie, um das Verfahren zu regeln. In zweiter Linie, weil sich über die Regeln die das Verfahren regeln auch die  Risiken für die Haftung begrenzen lassen. Beispiel? Ein Kunde erhält Software im Rahmen eines Customizing und arbeitet vor der Abnahme produktiv mit dem System. Der IT-Ler fragt nach seiner Haftung. Er ist schließlich noch nicht fertig.  Die Haftung sich hier nicht durch eine kunstvolle Formulierung der Haftungsbegrenzungsklausel reduzieren, sondern indem man in den AGB formuliert, daß der Einsatz der Software im Produktivbetrieb der Abnahme bedarf und der produktive Einsatz der Software ohne Abnahme ausschließlich auf Risiko des Kunden erfolgt. Juristisch ist das möglich, weil „Abnahme“ bedeutet, daß Sie dem Kunden das „Werk“ zu Überprüfung übergeben.

Noch ein Beispiel, diesmal aus dem Bereich Wartungs- Pflegevertrag? Eine typische Fehlerquelle besteht darin, daß die Software des Kunden unabhängig von Ihrer Software lebt und sich weiterentwickelt. Es darf folglich kein neues Release einfach in den Produktivbetrieb übergeben werden, sofern die Software nicht vorab getestet wurde.

3.) Gute Verträge sind Marketing

Die meisten Kunden sind von den Leistungen der ITlern etwa so abhängig wie von Ärzten und verstehen genauso wenig von IT wie der Normalsterbliche von Medizin. Man kann Vertrauen vermitteln, indem man Verträge vorlegt, die ein ausgewogenens Rechte/Pflichtenverhältnis aufzeigen, aber dem Kunden deutlich zeigen, daß der Erfolg des Vertrags auch stark von seinen eigenen Mitwirkungen und Leistungen abhängt. Verträge sollen Vertrauen vermitteln.

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