Gibt es einen Motivschutz im Urheberrecht, durch den ein Fotograf den Blick für ein bestimmtes Motiv monopolisieren kann? Kann man sich wirklich auf einen Baum setzen und von dort ein berühmtes Denkmal fotografieren und dann, wenn andere diese Perspektive auch verwenden die „abhängige Nachschöpfung“ eines urheberrechtlich geschützten Werkes rechtlich durchsetzen?
Zwei Entscheidungen hierzu: Das LG Düsseldorf bejahte in einem Fall eine unfreie Bearbeitung eines Werkes (LG Düsseldorf – TV Mann, Urt.v. 8.3.2006). Auf der Fotografie wird ein kahlköpfiger Mann dargestellt, der nur oberhalb der Schultern von hinten zu sehen ist. Vor dem Mann steht ein Fernseher, auf dem zwei Stabantennen so aufragen. Der Kopf des Mannes ist in Deckung mit dem Fernseher aufgenommen, so daß die Antennen aus seinem Kopf zu ragen scheinen. Der Fernseher steht in der Ecke eines Zimmers. An der Wand sieht man nur eine Tapete, an einer Wand hängt ein kleines Bild. Genau dieses Bildmotiv wurde kopiert. Das Landgericht entschied: Die nach § 2 Abs.1 Nr. 5 UrhG geschütztes Leistung bestünde in der Gestaltung des Bildes, aus der sich ein bestimmter Sinngehalt ergebe, die sich aus der Bildkomposition ergebe.
Der Zweite Fall: Das LG Mannheim bejahte einen Urheberrechtsverstoß im folgenden Fall: Gezeigt wird das Freiburger Münster aus der Perspektive eines nach oben weisenden Weges, der durch einen Zaun abgetrennt wird. Zwei Menschen sind am oberen Punkt des Weges rechts neben dem Hauptturm des Münsters zu sehen.
Rechtlicher Ansatz: Wenn ein Künstler selbst gleich einem Bühnenbildner eine Komposition ablichtet, für die er selbst eine Bildsprache erfindet, kann das Bild selbst geschützt sein. Bei einem vorgefundenen Motiv aber kann es nicht sein, daß die Wahl einer Perspektive monopolisiert wird. Eine Foto kann das als Werk geschützt sein, wenn sie eine besondere geistige Schöpfung des Fotografen darstellt. Dies wird allein durch die Wahl der Perspektive wohl kaum jemals realisiert werden können. Ein reiner Motivschutz kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil nur die konkrete Aufnahme geschützt werden kann. Das Motiv selbst kann urheberrechtlich geschützt sein. Aber dann muß es selbst gleich einem Bühnenwerk ein Werk sein. Motive sind rechtlich ebenso wenig geschützt wie Ideen. Allein der Umstand, daß ein Fotograf berühmt ist, vermag nichts daran zu ändern, daß auch seine Bilder aus juristischer Sicht banal sind und eben keinen Werkcharakter aufweisen. Warum manche Bilder berühmt sind und andere nicht, ist manchmal nicht nachzuvollziehen. Jedenfalls muß dies nichts mit juristischen Maßstäben zu tun haben, die besagen:
Ideen und Motive sind grundsätzlich frei. Sofern jemand soviel geistige Neuheit in die Anordnung eines Motiv oder in die Gestaltung der Fotografie einbringt, daß das Motiv selbst oder dessen Ausgestaltung als Werk anerkannt wird, darf man sein Werk nicht nachahmen. Aber diese Fälle sind die krasse, seltene Ausnahme.
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Stefan G. Kramer